Symposion TRANSVERSAL RESEARCH | .zeigen .wissen .bilden
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Kann Kunst eine epistemische Praxis sein? Ließe sie sich auch als ein (Aus-)Handlungsort einer anderen Form des Denkens verstehen? Ist wissenschaftliche Erkenntnisproduktion immer allein Ergebnis selbsttransparenter, objektivierbarer Verfahren? Oder ist sie – wie künstlerische Praxis auch – durch noch andere Wissensformen geprägt? Lässt sich unter Berücksichtigung künstlerischer Blickwinkel das Erkenntnismonopol der Wissenschaft vielleicht sogar aufbrechen?
Im Rahmen des gemeinschaftlichen Projekts AEiT Arts Education in Transition des Instituts für Kunst & Kunsttheorie und des Instituts für Medienkultur & Theater fand am 15. und 16. Juli 2016 das Symposion „TRANSVERSAL RESEARCH | .zeigen .wissen .bilden“ zur Gründung des Forschungskollegs AEiT.lab statt. Hierbei ging es darum, sich als Teilnehmer*in gemeinsam mit geladenen Expert*innen in die aktuell intensiv geführte Debatte zur sog. „Künstlerischen Forschung“ zu verwickeln und vorzuwagen auf ein durchaus nicht unumstrittenes Terrain neuer denkbarer Korrelationen zwischen Kunst und Wissenschaft, die sowohl als mögliche Transformation der Künste, als auch als kritische Selbstbefragung der Wissenschaft diskutiert wurden.
Die anregenden Beiträge der geladenen Gäst*innen boten sowohl Studierenden der Kunst, der Ästhetischen Erziehung, der Medienkulturwissenschaft und Intermedia als auch Lehrenden der Humanwissenschaftlichen und der Philosophischen Fakultät Anlass dazu, gerade auch über die Frage nach aktuellen Bildungsentwürfen an, mit und durch die Künste in den Austausch zu treten und über das Verhältnis von „Bildung“ zu einer möglicherweise transversal bzw. quer durch verschiedene Wissensformen und Denkmodi verlaufenden „Forschung“ nachzudenken.
PROGRAMM
Freitag, 15. Juli 2016
15:00 Michaela Ott: Fragen des Kunst-Wissens in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung
Schwerpunktmäßig sprach Michaela Ott über das zeitgenössische Verhältnis von Kunst und Wissen(schaft), wobei sie auch Beispiele aus der Physik usw. anführte, um die Leistung der Kunst in der Produktion von Kontingenz und in der Problematisierung von Wirklichkeit herauszustellen. In Abgrenzung von Hegel stellte sie in diesem Sinn die Begriffe des Virtuellen und Aktuellen bei Deleuze und dessen Wirklichkeitsauffassung vor und präsentierte schließlich künstlerische Arbeiten, die mit dem Anspruch auf die Bereistellung von Kunst-Wissen operieren, wozu auch Filme gehörten.
Dr. Michaela Ott ist Professorin für Ästhetische Theorien an der Hochschule für Bildende Künste (HfbK) Hamburg unter besonderer Berücksichtigung wissenschaftlicher Studien. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf poststrukturalistischer Philosophie, Ästhetik und Politik, Ästhetik des Films, Theorien des Raums, Theorien der Affekte, Affizierungen und Dividuation sowie Fragen des Kunst-Wissens. Zu ihren wichtigsten Veröffentlichungen zählen:
- Vom Mimen zum Nomaden. Lektüren des Literarischen im Werk von Gilles Deleuze, Wien: Passagen-Verlag, 1998
- u.a. Hollywood. Phantasma/Symbolische Ordnung in Zeiten des Blockbuster-Films, München: Verlag edition text und kritik, 2005
- Deleuze – Zur Einführung, Hamburg: Junius Verlag, 2005
- Artikel „Raum“, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. V, hg. v. Karlheinz Barck u.a., Stuttgart: Metzler Verlag, 2004, S. 113-148
- Ästhetik und Politik, hg. mit Harald Strauß, Hamburg: materialverlag/textem Verlag, 2009
- Virtualität und Kontrolle, hg. mit Hans-Joachim Lenger u.a., Hamburg: materialverlag/textem Verlag, 2010
- Zu einer ästhetisch-epistemischen Figur, München: edition text und kritik, 2010
- Theorien der Teilhabe, Berlin: b_books, 2014
- Timing of Affect. Epistemologies of Affection, hg. mit Marie-Luise Angerer und Bernd Bösel, Zürich: diaphanes Verlag, 2014
- Re*: Ästhetiken der Wiederholung, hg. mit Hanne Loreck, Hamburg: materialverlag/textem Verlag, 2014
- Dividuationen. Theorien der Teilhabe, Berlin: b_books, 2015
hfbk-hamburg.de/de/hochschule/lehrende/professoren
17:00 Anja Dreschke: EXPANDED ETHNOGRAPHY. Über Forschung an der Schnittstelle von Audiovisueller Anthropologie und Kunst
Anja Dreschke stellte ihren Dokumentarfilm Die Stämme von Köln (Deutschland 2011, 90 Min.) vor, welcher im Rahmen einer mehrjährigen ethnographischen Feldforschung entstand, die sich an der Schnittstelle von Audiovisueller Anthropologie und Künstlerischem Forschen bewegt. Ausgehend von der These, dass Reenactments nie ‚bloße’ Wiederholung oder Imitation sind, sondern kreativ-produktive Prozesse der (Medien-)Aneignung, begleitete sie mit ihrer Kamera die sog. „Kölner Stämme“ – eine Gemeinschaft aus über 80 Vereinen aus Köln und Umgebung, deren Mitglieder in ihrer Freizeit die historischen Lebenswelten ›fremder‹, vergangener Völker nachahmend darstellen und so einen immersiven Zugang zu Geschichte(n) suchen. Der Film stellt die Reenactments dieser Amateur*innen als Praktiken des Ver-körperns, Verortens und Vergegenwärtigens vergangener Ereignisse vor und zeigt, dass hierbei stets eine Vielzahl global zirkulierender populärer Medien (wie Spielfilme, Abenteuerromane oder TV-Dokumentationen, aber auch Reisebeschreibungen, Ausstellungskataloge oder historische und ethnologische Fachliteratur) in verschiedenen Formen der (Selbst-)Inszenierung (z.B. in Artefakten, auf Internetseiten und Vereinszeitschriften sowie auf Fotografien und Videos) adaptiert wird. Er bot Anlass, über das performative, erfahrungsbasierte Verfahren des Reenactments als eine alternative oder „unorthodoxe“ Methodik der Wissensproduktion zu diskutieren, die ein körperliches, multisensorisches Erleben von Alterität verspricht.
Anja Dreschke ist Ethnologin, Filmemacherin und Kuratorin und lebt in Köln. Derzeit ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt »Trance-Medien und Neue Medien« an der Universität Siegen. Sie studierte Ethnologie, Kunstgeschichte und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Köln und hatte verschiedene Lehraufträge u.a. an der Universität zu Köln, am Granada Center Manchester und an der HBK Braunschweig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Audiovisuelle Anthropologie, Medienethnologie, Experimentelle Ethnographie, Künstlerisches Forschen, Performance Studies und Trancemedien. Ihre Monographie Kölner Stämme. Medienethnographie einer mimetischen Kultur ist im Erscheinen. staemmevonkoeln.de
Samstag, 16. Juli 2016
10:00 Constanze Schellow: Probst du noch oder forschst du schon? Zur Institutionalisierung von Forschung im Kontext des zeitgenössischen Tanzes
Constanze Schellow ging es mit ihrem Vortrag weniger darum, ein Modell künstlerischer Forschung zu entwerfen – oder die viel diskutierte Frage zu stellen, ob und inwiefern Kunst forschen kann, darf oder soll. Vielmehr stellte sie die Frage, welche Folgen eine seit den 1990er Jahren im zeitgenössischen Tanz kultivierte Selbstreflexivität, verstanden als das Resultat einer forscherischen Hinwendung zu den Grundbedingungen des eigenen Mediums, für unser heutiges Verständnis von einem zeitgemäßen künstlerischen Studienprofil in diesem Bereich hat – im Umweg über ihre Rückübersetzung in den theoretisch-akademischen Diskurs und schließlich über ihr Echo in den Curricula neuerer Ausbildungsgänge.
Dr. Constanze Schellow ist Dramaturgin und Gastprofessorin für Angewandte Tanz-wissenschaft und Performancetheorie am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz (HZT) in Berlin. Sie studierte Theaterwissenschaft, Philosophie und Performing Arts in Berlin und Antwerpen und lehrt regelmäßig u.a. am Tanzquartier Wien, Institut für Medien und Theater Hildesheim, an der Freien Universität Berlin, am Institut für Theaterwissenschaft Bern sowie an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Constanzes neues Buch Diskurs-Choreographien, die Publikationsfassung ihrer 2014 mit dem Fakultätspreis der Universität Bern ausgezeichneten Dissertation, ist gerade erschienen (epodium 2016) und beschäftigt sich mit den politischen Implikationen aktueller disziplinärer ‚Gesten‘ der Tanzwissenschaft. hzt-berlin.de
12:00 Elke Mark: Funny feeling – spürbares Wissen. Lecture Performance zu „Sensorischem Wissen“ sowie Aspekten von Taktilität und Gleichgewichtssinn
Elke Marks Lecture Performance verschob den Fokus der Teilnehmer*innen vom gewohnten Ansammeln von Informations-wissen auf den Prozess der Herausbildung von Wissen. Über Beobachtung und Beschreibung des performativen (Wahrnehmungs-)Geschehens fand eine experimentelle Befragung zum Stellenwert von sinnlicher Körperlichkeit im digitalen Medienkontext statt. Ergänzt um Ausschnitte aus Lecture Performances zu „Sensorischem Wissen“ wurde über Aspekte von Taktilität und den Gleichgewichtssinn die Aufmerksamkeit auf unsere körperlichen Ressourcen gelenkt, um diese aus interdisziplinären Blickwinkeln als Quelle der Wissensgenerierung zu stärken. Parallel zur gehörten Textebene wurde durch minimale performative Setzungen eine atmo-sphärische Erfahrungsebene eröffnet, die die Zuhörenden beiläufig einlud, sich des eigenen Anteils an jeglicher Form der Wissensgenerierung bewusst zu werden und ermunterte sie, sich auf eine Ebene spürbaren (Vor-)Wissens einzulassen.
Elke Mark ist bildende Künstlerin mit dem Schwerpunkt Performance Art und (prozessuale) Textilobjekte und forscht zu Taktilem Wissen, Denken in Bewegung und Dialog-Konzepten. Sie studierte Freie Kunst in Kassel, Madrid und Amsterdam und war Meisterschülerin bei Prof. Dorothee von Windheim. 2008 absolvierte sie ein Postgraduiertenstudium an der Kunsthochschule für Medien in Köln mit dem Diplom in audiovisuellen Medien. Als Beteiligte des PAErsche Performance-Netzwerks ist sie an der Weiterentwicklung des gemeinsamen OpenSession-Formats interessiert. Sie lehrt Performance Art an der Europa-Universität Flensburg und organisiert das BRISE Performance Art Festival Flensburg/ Aabenraa. elkemark.com paersche.org
Moderation:
Aurora Rodonò, Projektkoordinatorin AEiT, Institut für Kunst & Kunsttheorie
Hannah Neumann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Medienkultur & Theater
Julia Ziegenbein, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Kunst & Kunsttheorie