Gastvortrag von Dr. Dorothée Bauerle-Willert: Caravaggios Narziss: Die Erfindung der Malerei
- Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.
In Leon Battista Albertis Deutung der Erzählung von Ovids Narziss verwandelt sich der vergebliche Blicktausch im Mythos zu einem Blick auf die Kunst. „Was im Mythos als Täuschung entflieht, kommt in der Malerei als Kunst zurück.“ (1) Die Fragilität und Flüchtigkeit des Bildes auf der Wasseroberfläche, das erscheint und verschwindet, wie das Echo nicht festzuhalten ist, impliziert die Tragik des Vergänglichen. Narziss erfand so die Malerei, um einem Missstand des Spiegelbildes abzuhelfen. Die Umarmung der Bildquelle kommt der Verwandlung des ephemeren, des flüssigen Quellspiegelbilds in das dauerhaftere Medium des gemalten Bildes gleich. Der Blickende sieht sich in der Welt, sieht seinen Blick auf die Welt. In dieser Inversion von einer Deutung eines Narziss, der sich in seinem Bild verliert, zum Auftritt eines Subjekts, für den sich im Bild, im Blick und Gegenblick die Selbsterfahrung, aber auch ihre schwindelerregende Abgründigkeit öffnet, liegt eine unerhörte Wendung, die zugleich die Kunst selbst befragt. Nun ist das Bild nicht mehr eine sinnlose Doppelung, sondern weist auf die Möglichkeit sich außerhalb seiner selbst, in einem Kunstwerk zu setzen und zu finden.
(1) Hans Belting, Florenz und Bagdad, München 2009, S. 248
Vita
Dr. Dorothée Bauerle-Willert, Kunsthistorikerin
*1951 Göppingen
Studium der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Philosophie in Tübingen und Marburg.
1977 Forschungsaufenthalt am Warburg-Institut in London, 1980 Promotion mit der Dissertation „Gespenstergeschichten für ganz Erwachsene. Ein Kommentar zu Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne.“ 1980–83 Wissenschaftliche Assistentin an der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, 1983 Direktorin der Gesellschaft für Aktuelle Kunst in Bremen, 1983–90 Stellvertretende Direktorin am Ulmer Museum.
Von 1990 bis 2007 Leben im Ausland. Arbeit im Kulturaustausch und Gastprofessuren an Universitäten in Asunción, Paraguay, in Montevideo, Uruguay, in Tallinn, Estland, in Skopje, Makedonien und in Belgrad, Serbien.
Seit Februar 2007 lebt sie in Berlin. Lehraufträge an der Hochschule für Bildende Künste, Dresden, an der Universität zu Köln und an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein, Halle.
Von 2009 – 2018 Produktions-Dramaturgin am Vorarlberger Landestheater Bregenz. Dramaturgin am Theater Wolkenflug, Klagenfurt.
Für den Zoom-Zugangslink und das Passwort wenden Sie sich bitte per Mail an Gesine Kikol: gkikol@uni-koeln.de
Bild: Michelangelo Caravaggio, Narziss (Detail), 1594 – 1596, Öl auf Leinwand, Galleria Nationale d’Arte Antica, Rom