Gastvortrag Karl-Josef Pazzini: „Wir“ vs. neoliberale Individualisierung
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!NEUER TERMIN 22.11.2023!
Individualisierung steht pädagogisch und didaktisch hoch im Kurs. Die Autonomie des Individuums scheint gefährdet zu sein durch Gesellschaftliches (Fremdwort: Soziales; polemisch: das System). Die Psychoanalyse ist entstanden aus den leidvollen Folgen der Individualisierung im Kapitalismus. Das ging in der Folge unter.
Die Sozialität der Kunst wurde abgewehrt durch einen bis heute währenden Geniekult der oder des autonomen Künstler:in. Schüler:innen werden spätestens mit einer unreflektierten individuellen Leistungszuschreibung tendenziell asozialisiert. Ich möchte mich der Herausforderung des Kollektivs von den Schwierigkeiten der Psychoanalyse her nähern:
In der Psychoanalyse gibt es kein ausformuliertes Konzept eines Wir, nur Ich, Es und Über-Ich. Eine indirekte Thematisierung des Wir ist die Identifizierung in Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse. Dass Identifizierung Freud ein Rätsel bleibt, ist einer der Anlässe, das Wir zu klären.
Der immanente Plural der Übertragung ist ein vorübergehendes Wir. Das Ich ist Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse über vergangene und gegenwärtige Identifizierungen, eingefallene Bilder auch im Singular ein Plural. Wie entfaltet sich diese Sammlung in den energetischen Zeitraum einer Übertragung hinein? In den Unterricht? Angst, im Wir als Einzigartiges zu verschwinden, auf die eigene und zurechenbare Verantwortlichkeit verzichten zu sollen, steht in Nachbarschaft zum Wunsch, mit gewaltsamer Identifizierung (= Beseitigung der Fremdheit) Identität herzustellen.
Karl-Josef Pazzini, Psychoanalytiker, Supervisor, Berater; bis 2014 Prof.Bildungstheorie + Bildende Kunst (Uni Hamburg); Herausgeber: RISS. Zeitschrift für Psychoanalyse. Arbeitete als Mitgründer eines Kinos, Kindergartenleiter, Grundschullehrer, ganz kurz Redakteur von K+U. Berater bei VW, Initiator der Reihe KPP, Mitbegründer der Psychoanalytischen Bibliothek – Berlin; Arbeitsschwerpunkte: Übertragung, »Laienanalyse«, Boullées Konzept »Museum« als Utopie der bürgerlichen Gesellschaft.
Im März 2023 erscheint RISS#98 zusammen mit Judith Kasper und Mai Wegener: AAAAAAAntisemitismus. asemantisch
Die Veranstaltung ist öffentlich und findet im Theaterraum R2.212 statt. Parallel gibt es einen Online-Stream via Zoom. Alle Studierenden, Lehrenden, Mitarbeitenden, externe Interessierte etc. sind herzlich eingeladen. Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie im Ilias Ordner Kunstpädagogische Positionen (Externe Interessierte melden sich bitte per Mail bei Nabi Wenke: nwenke@smail.uni-koeln.de.
Bildcredits: Domenica del Corriere