Terrassentreffen
Die Terrasse steht als Metapher für einen hybriden Raum zwischen Innen und Außen, öffentlich und privat. Als queerer Raum zwischen strukturell und traditionell weiblich oder männlich verstandenen Bereichen. Die Grundfläche der Skulptur ist eine Kopie des benachbarten Betonschachts. Durch die Keramikfliesen tritt das Objekt in einen Dialog mit dem Gebäude, da sie Negativabdrücke der Fliesen an der Außenfassade sind. Die Skulptur soll die demokratische Architektur des Gebäudes wieder in den Fokus rücken und als Diskursraum für Gespräche über die Humanwissenschaftliche Fakultät und die mit diesem Ort verknüpften Räume zur Verfügung stehen.
Julia Goltermann, 22.07.21-XX.XX.XX
Terrassendielen Douglasie; glasierte Keramik
Humanwissenschaftliche Fakultät
Parkfläche zwischen Gebäudeteil A, C und dem Clarenbachkanal
Die Arbeit Terrassentreffen entstand im Rahmen einer theoretischen Beschäftigung mit Verbindungen von Feminismus und Skulptur und der gleichzeitigen Auseinandersetzung mit dem Ort und der Architektur der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Aus der theoretischen Forschung ging hervor, dass für Skulptur im feministischen Kontext strukturelle Raumaufteilungen des Innen und Außen, die mit der Kategorie Geschlecht verknüpft sind, eine besondere Bedeutung zugeschrieben werden kann. Der Innenraum wurde historisch den Frauen zugewiesen (weiblich/privat/Reproduktion/statisch- bewahrend). Der Außenraum bzw. der öffentliche Raum hingegen war patriarchal strukturiert (männlich/öffentlich/Produktion/dynamisch/expansiv). Heute hat sich diese Aufteilung teilweise gelockert und dennoch schreibt sich die strukturelle Gliederung von Räumen entlang der Heterogenitätsdimension Geschlecht, durch die sich Hierarchien und strukturelle Ungerechtigkeiten manifestiert haben, weiter fort. Es besteht somit die Notwendigkeit diese Aufteilungen zu überwinden und hybridere gequeerte Räume zu schaffen, die hierarchische Geschlechterpolitiken und unzeitgemäße Binaritäten überwinden. Als Metapher für so einen hybriden Raum dient die Terrasse, denn sie stellt in ihrer ursprünglichen Funktion einen Zwischenraum zwischen Innen und Außen dar.
Bei der Auseinandersetzung mit der Humanwissenschaftlichen Fakultät als sozialer, institutioneller und architektonisch geprägter Ort werden mehrere Ambivalenzen sichtbar. Das Hauptgebäude der Fakultät wurde 1954 vom Architekten Hans Schumacher als Pädagogische Akademie geplant und von 1955-1957 errichtet. Das Gebäude ist ein besonderes Beispiel für die Architektur der Nachkriegsmoderne, die auch als demokratische Architektur bezeichnet wird. Aus diesem Grund steht es seit den 1990er Jahren unter Denkmalschutz. Durch diesen Status wird das Gebäude in seiner Ursprünglichkeit erhalten, gleichzeitig bringt er aber auch Komplikationen für die Verwaltung und die Nutzer*innen des Gebäudes mit sich, die sich unter anderem in Fragen zum Brandschutz oder fehlender Barrierefreiheit äußern. Zudem wirkt die Humanwissenschaftliche Fakultät auf ihre Nutzer*innen oft etwas renovierungsbedürftig, schmuddelig und verramscht. Dieser Eindruck steht im Konflikt zu der eigentlich erhaltenswerten und interessanten Architektur.
Heidi Helmhold, die bis vor kurzem die Professur für Ästhetische Theorie und Praxis an der Fakultät inne hatte, beschäftigte sich 2012 intensiv mit dem Gebäude und stellte fest: „Der Bau erfährt in seiner Architektur keine Wertschätzung“ (ebd., 2012, 15). Dabei gibt es auch abseits der Architektur einige Punkte auf der Haben-Seite, denn die Fakultät befindet sich in Köln in einer ausgesprochen vorteilhaften Lage mit direkter Nachbarschaft zu den Lindenthaler Kanälen und hat ein verhältnismäßig großes und verschiedentlich nutzbares Außengelände. Bei der Beschäftigung mit dem Ort wurden die benannten Ambivalenzen zwischen dem Potenzial der räumlichen Gegebenheiten bei gleichzeitiger prekärer räumlicher Situation erkennbar. Diese äußern sich unter anderem in einer begrenzten Raum-Kapazität. Vielleicht erinnert das Sitzen auf der Terrassenkante die Eine* oder den Anderen* an das Sitzen auf den Fensterbänken von überfüllten Lehrveranstaltungen im Inneren des Gebäudes. Auch der Installationsort der künstlerischen Arbeit verweist auf ein Paradox des Ortes: Im hinteren Teil der Fakultät befindet sich eine große Fläche an größtenteils ungenutztem Parkraum, der die Frage aufwirft, wie zeitgemäß diese Nutzung in Zeiten der Mobilitätswende und dem Ringen um weniger versiegelte Flächen heute noch ist. Die Skulptur ist in ihrer Grundfläche eine Kopie des Betonschachts, der die Parkfläche zwischen Gebäudeteil A und C zu Teilen unnutzbar werden lässt, einen Parkplatz blockiert und dennoch beinahe zum Verweilen einlädt. Formalästhetisch geht die Arbeit Terrassentreffen durch die Keramikfliesen einen Dialog mit dem Gebäude ein. Es handelt sich hierbei um handgefertigte Negativabrücke der Fliesen, die das Erscheinungsbild der Außenfassade des Gebäudes prägen. Die Fliesen ähneln in ihrer Beschaffenheit und Farbe den Originalen, dennoch ist ihnen anzusehen, dass sie nicht industriell gefertigt sind. Einzelne Fliesen geraten sogar vollkommen aus der Form und scheinen sich eigenhändig Raum zu nehmen.
Die Terrasse, als Skulptur im (halb-) öffentlichen Raum, soll als nutzbarer Bereich zur Verfügung stehen. Sie kann dazu dienen, die Intention der demokratischen Architektur wieder in den Fokus zu rücken und als Diskursraum genutzt werden, um Fragen zu strukturellen Ungerechtigkeiten im Bezug auf Raum diskutierbar zu machen. Eine mögliche Frage könnte zum Beispiel sein: Ist die Humanwissenschaftliche Fakultät strukturell und finanziell benachteiligt, da sie vor allem Studiengänge beherbergt, die in so etwas wie „akademische Care-Berufe“ führen?
Unterstützt wird die Arbeit durch den Studierendenausschuss der Vollversammlung StAVV
Literatur
Helmhold, H. (Hrsg.). (2012). Abreißen oder gebrauchen? Nutzerperspektiven einer 50er- Jahre-Architektur. Jovis.