Lotte Leaker interviewt Martina Leeker zum The Respectful Nettheatrechannel Teil 4 ONLINE
Teil 4: „Die Digital Stage auf TikTok. Posthumanes Theater – Welttheater“
Im Rahmen der Kooperation des Fachbereichs Kunst und Kunsttheorie der Universität zu Köln mit dem The Respectful Nettheatrchannel entstand ein neues Projekt zum Performance und Digitalität. In seiner medienästhetischen Form unternimmt es zugleich eine Erkundung künstlerischer Forschung. Teil 4 des Projektes ist nun online!
The Respectful Nettheatrchannel präsentiert seit Juli 2021 Gespräche und Diskussionen zu Theater und Digitalität. Der jüngste Beitrag ist eine Reihe von Interviews mit der Initiatorin des Projektes: Martina Leeker, die unter dem Titel „Lotte Leaker interviewt Martina Leeker zum The Respectful Nettheatrechannel“ firmieren. Dabei treffen zwei sehr unterschiedliche Personen aufeinander, nämlich eine Theater- und Medienwissenschaftlerin (Martina Leeker) und eine leakende und teils schonungslos fragende Aktivistin (Lotte Leaker).
Martina Leeker führt aus, dass die performativen Beiträge auf TikTok aus ihrer Sicht als eine Art „Welttheater“ gelesen werden können, mit dem sich tradierte Ästhetiken und kulturelle Funktionen von Theater und Performance gründlich verändern. Dies beträfe etwa die Funktion der Zuschauenden, die geradezu zwanghaft zu Agierenden würden, wenn sie sich in Duetten und Stitches sowie auf der „Bühne der Kommentare“ einmischen. Ein weiterer Aspekt wären Konstitution und Funktion des Verhältnisses von Spielenden und Rollen/Figuren, die bis dato oftmals klar voneinander zu unterscheiden waren, im TikTok-Welttheater aber nunmehr in einer memeartigen Personen-Figur zusammenfallen würden. Mit Wendy Chun könne konstatiert werden, dass in dieser „algorithmischen Authentizität“ diese zu einer Marke (brand) würde (Burton, Chun, et al. Algorithmic Authenticity. Lüneburg: Meson Press 2023). Die Figuren funktionieren dabei vor allem als Connecting Points, über die sich immer mehr Klicks und Follower um Accouts scharen sollen. In den performativen Mikroformaten würden zudem die großen Welt- und Menschheitsgeschichten, die oftmals in Theater und Performance erfunden und verhandelt würden, zu kleinen Narrativen, die sich in Banalität und Serialität genügen statt auf kulturelle Hochleistungen zu zielen (vgl. auch.: Peter Moormann / Manuel Zahn / Patrick Bettinger / Sandra Hofhues / Helmke Jan Keden / Kai Kaspar (Hrsg.). Mikroformate. Interdisziplinäre Perspektiven auf aktuelle Phänomene in digitalen Medienkulturen. Schriftenreihe Kunst Medien Bildung, Band 8, München 2021. Schließlich sei zudem von Interesse, dass im digitalen Welttheater eine Form von Sozialität entstehe, die sich vor allem über immer wieder neu und regelrecht mit Absicht losgetretene und provozierte, mithin exzessiv inszenierte Shitstorms herstelle (Vgl. auch: Gaderer, Rupert: Shitstorm. Das eigentliche Übel der vernetzten Gesellschaft. In: ZMK Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung. Alternative Fakten, Jg. 9 (2018), Nr. 2, S. 27–42.). Es entstehe ein posthumanes Welttheater, in dem die „Figur eines versierten Spielers“ erfunden und erprobt würde, die als eine Antwort auf die techno-humanen Ko-Operationen von menschlichen und nicht-menschlichen Agierenden zu verstehen sei, die digitale Kulturen konstituieren würden. Im Taumel von „Performing the Digital“ würden sich diese Handlungsgemeinschaften in Kontrollverlust und Nichtwissen gegenseitig performen und dabei immer schon performt-werden. TikTok habe in diesem Kontext, so Martina Leeker, gleichsam die kulturellen Funktionen von Theater und Performance übernommen und zeige sich als Labor für digitale, anti-anthropozentrische Technik-Geschichte(n) des Menschen sowie als Kulturtechnik für eine Organisation von Selbst- und Weltverständnis im Posthumanen.
Digital Stage for Students
Martina Leeker berichtet abschließend, dass in ihrer Lehre vor diesem Hintergrund die Arbeit mit Projekten für das „TikTok-Welttheater“ eine große Rolle spiele. Dabei ginge es um eine künstlerische Forschung, mit der Performance und Performativität in digitalen Kulturen als ambivalentes Zusammenspiel von technokratischer Anpassung und immer schon vereinnahmter Widerständigkeit erkundet werden solle. Die digital stage werde in diesem Kontext genutzt, damit die Studierenden ihre Projekte aus Seminaren präsentieren können.
In dieser vierteiligen Reihe mit Interviews von Lotte Leaker mit Martina Leeker wird zudem künstlerische Forschung zur Medienästhetik der Erzeugung von Wirklichkeit unternommen. Wer sind die beiden Personen und kamen sie tatsächlich für das Interview zusammen? Wenn der Realitätsgehalt des Films in Frage stehen sollte, was bedeutet dies für die Inhalte des Interviews?