Digitaler Rundgang: I want to break the order of things – Que/e/rer Film in pädagogischen Räumen

SoSe 2020

Mit:
Antonia Extra, Mona Bäcker, Lena Hambsch, Hannah Herrmann, Alexandra Kamneva, Katja Kokisch, Viktoria Rau, Sina Reuter, Anna Schmidt, Sophia Schmitt, Nicola Schneider, Karla Stäbler, Adrian Weich, Janina Weide, Felix Wender, Tina Grübler, Alessa Heimburger, Toni Kronies, Johanna Niemann, Waldemar Vanagas

Master und Bachelor Studierende der Studiengänge: Grund- und Sonderschulpädagogik, Ästhetische Erziehung, Intermedia, Lehramt Gymnasium, Gender & Queer Studies

Dozierende: Katja Lell

Gäste: Merle Groneweg und Bartholomew Sammut vom XPOSED Queer Filmfestival Berlin

Auf dieser Seite werden einzelne Videoarbeiten gezeigt, die im Rahmen des Seminars I want to break the order of things entstanden sind. Im Seminar beschäftigten wir uns mit verschiedenen Formen des Blicks, Un_sichtbarkeiten und Opazitäten.

Der postkoloniale Philosoph Édouard Glissant formulierte Opazität als das Recht, nicht verstanden zu werden – in anderen Worten, sich nicht in eine Schublade zwängen zu lassen. Es ist der Versuch, sich der Gewalt zu entziehen, die im Verstehen, Vermessen und Kategorisieren von Menschen, ihren Körpern und Begehrensformen liegt, z. B. wenn sie zu Vorzeigefiguren gemacht werden, die der Befriedigung der Schaulust anderer dienen sollen. Eine Person erst verstehen oder einordnen zu wollen und zu können (z. B. in Bezug auf deren Geschlecht) muss jedoch nicht die Voraussetzung dafür sein, dieser Person Anerkennung zu zollen. Im Seminar schauten wir uns queere, künstlerische Filme an, die sich klassischen Sichtbarkeitslogiken querstellen und auf dem Recht, opak zu sein bzw. nicht verstanden zu werden, bestehen. Was ist queer? Was können queere Filme sein? Queere Filme zeigen nicht nur LGBTQ* Identitäten und Begehren, sondern befragen grundsätzlich filmische Darstellungsformen, entwerfen ungewohnte Ästhetiken und können so unsere cis- und heteronormativ geprägten Wahrnehmungsmuster stören.

In der Folge fragten wir uns, was das Potential queerer, künstlerischer Filme für Kunstunterricht sein könnte. Wie können wir Opazitäten im Kunstunterricht herstellen? Welche Filme auswählen, wie zeigen und besprechen?

Als Gäste waren Merle Groneweg und Bartholomew Sammut (Kurator*innen des XPOSED Queer Film Festivals Berlin) eingeladen, eine Auswahl aus dem Programm vom XPOSED vorzustellen.

In einer die Seminarsitzungen begleitenden Portfolioarbeit wurden zahlreiche Mind-Maps erstellt. In diesen wurden Diskussionen, Impulse, Videolinks und Texte aus den subjektiven Perspektiven der Teilnehmer*innen zusammengeführt, kommentiert und in neue Zusammenhänge gebracht.

Neben den Videoarbeiten entstanden diverse Formate als Abschlussprojekte:
Materialsammlungen zu queerem Film und Schule, ein konkretes Unterrichtskonzept Queer Film, ein Essay zum Bildungspotential des Films in einer queeren (Kunst-)Pädagogik, Essay zur ‚Genderkompetenzlosigkeitskompetenz‘ (Kleiner/Klenk 2017), zur Heteronormativität im Marvel Cinematic Universe und im Kinderfilm (Wiki und die starken Männer), zur Serie Sex Education (2019-), Pose (2018-) und Paris Is Burning (1990), zur Repräsentation von Trans* im aktuellen theoretischen Diskurs, nicht zuletzt auch zu Comics, die Un*Sichtbarkeiten von nicht zweigeschlechtlich zuzuordnenden Geschlechtsidentitäten bearbeiten.

Die hier vorgestellten Videoarbeiten sind als Filmprogramm gedacht.

STRGHT, Chris_tina Grübler, 16:42 min
exit gender, Mona Bäcker, 3:41min
wish you were queer, Sina Reuter, 7:20 min
Harmonie ist eine Strategie, Toni Kronies und Alessa Heimburger, 3:54 min
Niederkunft, Felix Wender, 26:30 min

STRGHT, Chris_tina Grübler, 3 Städte und mehrere Menschen, 16:42 min., 2020

„We are cartographers. We dismantle. We depart.”

CisHeterosexualität schreibt sich, nein, fräst sich in den urbanen Raum ein, kettet sich buchstäblich an ihn, strukturiert, performt und besetzt ihn. Was passiert, wenn queere_queerende Menschen die straighten Linien nachzeichnen und durchkreuzen, die sich durch unsere Städte ziehen? In diesem Film teilen sie Beobachtungen über cisheterosexuelle Menschen und deren Kultur, schamlos subjektiv. Sie kommentieren, kartographieren, flexen durch die Stadt, verbünden sich dabei digital mit Unbekannten und nehmen sich künstlerisch Raum zurück, der CisHeten nie zustand. Aus der Corona-Isolation heraus, verbunden durch Billig-Technologien, entsteht ein kollektives Zurückstarren. Authentische Autor*innenschaft? Keine Spur. Gehörtes überkreuzt sich mit Gesehenem, lädt zu Projektion, Konfusion und Frustration ein, aber auch lachend/augenrollenden Wiedererkenntnissen.

Feedbacks, Fragen & Sprachaufnahmen mit eigenen Beobachtungen von straight culture gerne an christina.gruebler@smail.uni-koeln.de. This work still grows.

 

Mona Bäcker, exit gender, 3:53 min, 2020

Es ist fluide, indiviudell und nie abgeschlossen. Es existiert nicht immer. Es kann kommen und gehen. Es möchte sich keiner endgültig dichotomen Konstruktion bedienen. Es möchte gefragt und nicht allzu oft gewaltsam gelesen werden. Es möchte nicht, dass Personen von sich auf andere Individuen schließen. Es will dahingehend verstanden werden, dass es nicht verstanden werden muss.

„Es ist opak, das (queere) Geschlecht.“

 

Sina Reuter, wish you were queer, 7:20 min, 2020

Wir schließen vom Ganzen auf die Teile und von den Teilen auf das Ganze. Aber wie können wir uns dieses Recht überhaupt zusprechen, wenn wir nur das wissen, was wir erkennen können? Ein Versuch über die Ästhetisierung des Körpers.
Musik: Benedikt Czylwik.
Rückmeldungen, Anmerkungen und Fragen gerne an sreute13@smail.uni-koeln.de.

 

Alessa Heimburger und Toni Kronies, Harmonie ist eine Strategie, 3:52 min., 2020

Inwiefern sind wir in uns selbst gefangen? Durch Vorstellungen oder Normierungsprozesse der Außen- und Innenwelt. In unserem Film geht es ums Spüren innerhalb und außerhalb von Zwängen. Ums Dazwischen. Um Risse in denen neue Welten entstehen können.

Felix Wender, Niederkunft, 26:36 Min, 2019/20

TRIGGER-Warnung: Depiction of sex, explicit nudity, high frequency tones in Audio

„… Die Video-und Stereokultur erzeugt nämlich kein narzisstisch Imaginäres, sondern ist Effekt äußerster, verzweifelter Selbstreferenz, ein Kurzschluss, mit dem das Gleiche ans Gleiche unvermitteltangeschlossen wird.“ (Jean Baudrillard –Videowelt und fraktales Subjekt, 1988)

Als Stellvertreterwesen findet sich die Figur Eko Nemesis in einer kafkaesken Wohnsituation wieder, die von ständiger (Selbst-)Beobachtung über eine Kamera begleitet wird. In quälerischer Selbstveräußerung zeigt der Videofilm in ständiger Begleitung durch die kuratierende Figur Eko die eigene, analoge Physis, die wie auf der Suche nach Selbstbefruchtung fortdauernde Bilderwelten generiert. Eine digital anmutende DIY-Technik verbindet sich mit der äußerst körperlich-geschlechtlichen Präsenz und seiner Fluidität, um Regungen in verzerrte Machtstrukturen im Selbstgespräch mit sich selbst aufzulösen: die eigenen Gedanken in fremde Stimmen zu übersetzen ist einer von vielen Prozessen, die zu differenzieren versuchen: was sehe ich, und wer bin ich?

-Video nicht mehr verfügbar-