Do it yourself – Documenta 13

Berichte und künstlerische Reaktionen zur Documenta 13

(Seminar „Do it yourself – Documenta 13“, Johannes M. Hedinger – SS 2012, Vorlesungsnummer 7705)

Dieses Praxisseminar war ein lustvoller Versuch, sich einer Ausstellung durch die eigene Kunst zu nähern (Analyse und Reflexion durch künstlerische Produktion). Im Rahmen einer 3-tägigen Exkursion (22.-24.6.12) an die Documenta wurde von den Studierenden vor Originalarbeiten eigene Interpretationen und Fortschreibungen generiert, was zu Dialogen mit und durch die Kunst führte (Einzel- und Gruppenarbeiten, Diskussionen). Alle Formen und Medien waren zulässig (Bild, Text, Foto, Film, Musik, Theater, Tanz, u.a.).
In der folge finden sich einige Beispiele von studentischen Reflexionen und künstlerischen Reaktionen.

 

Moon Kyungwon, Jeon Joonho, u.a.: News from Nowhere

(von Laura Maschlanka)

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=JVC62yLBBh4&version=3&hl=de_DE&rel=0]

Die Installation “News from Nowhere” initiiert von Moon Kyungwon und Jeon Joonho wurde unter der Mitwirkung von sieben weiteren Künstlern und Künstlergruppierungen durch Filmbeiträge, eine Buchveröffentlichung und weiteren Teilinstallationen in der documenta Halle präsentiert. Die Installation beschäftigt sich mit sozialen Funktionen und der Rolle der Gegenwartskunst, birgt aber meiner Meinung nach noch weitaus mehr Interpretationspotenzial. Das gesamte Konzept geht weit über die Eingrenzung hinaus indem weitere Künstler die distopischen Gedanken auf die Bereiche wie beispielsweise Design, Wissenschaft, Architektur, Politik und Religion ausweiten. Angeregt wurde das Projekt “News of Nowhere” durch das gleichnamige Buch von William Morris (1819), welches sich mit der postapokalyptischen Welt, in der die Menscheit fast ausgelöscht ist beschäftigt. Morris hinterfragt in seinem Werk die ‚grundlegensten Überzeugungen’ der Menschheit und fiktioniert neue Richtungen und Wege die in der Installation aufgegriffen und weitergeführt werden. Im Detail besteht die Installation aus fünf Teilkunstwerken. Betritt man den ersten Ausstellungsraum sieht man zwei große Leinwände auf denen zugleich zwei Filmsequenzen, die miteinander zu korrespondieren scheinen, in Dauerschleife laufen. Der Beitrag “Fin del mundo” zeigt auf dem rechten Bildschirm eine Künstlerin in der postapokalyptischen Welt die von einem Auftrag des herrschendem Konzerns ‚TEMPUS’ inspiriert wird, indem sie vertrocknete Vegetation untersuchen muss. Auf dem linken Bildschirm übt ein Künstler der vermeintlichen Gegenwart seine Wiederverwertungs-­‐Kunst, isoliert von der Gesellschaft aus. Beide stellen sich essenzielle moralische Fragen zur Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit und deren Verknüpfung. Geht man zwischen den beiden Bildschirmen hindurch kommt man in den zweiten Raum. Vorne Links empfängt einen eine multimediale Teilinstallation die sich mit der Ressource Wasser beschäftigt. Durch die akute Umweltverschmutzung und radioaktive Verseuchung sinkt der Wasserstand in der fiktiven Welt. Um das Überleben der Menschheit zu sichern präsentiert ‚TEMPUS’ artifizielle Organe welche die Wasserzufuhr und den Wasserverbrauch des Menschen optimal regulieren, so dass nur noch 62 ml Wasser pro Tag gebraucht werden. Die Teilinstallation präsentiert sich durch einen Informationsfilm, die Ausstellung der artifiziellen Organe und einem Infotext samt bildlicher Veranschaulichung an der Wand. Sieht man frontal in den zweiten Raum findet man einen zweiten ‚Aufklärungsfilm’ auf einem großen Bildschirm. Hier wird sich vor allem mit der sozialen Lebensform und dem Lebensraum beschäftigt indem gesellschaftliche Lebensformen wie ‚Egotopia’ vorgestellt werden. Auf der rechten Seite des Raumes befindet sich zum einen das Inspirations-­‐Werk von William Morris als auch das gleichnamige Buch der Künstler indem die Installation und weiterführende aber auch zugrundeliegende Gedanken ausgeführt sind. Die letzte Teilinstallation ist ein Wiederaufbaukonzept für ein japanisches Gebiert welches durch einen Tsunami zerstört wurde. Die Pläne sind durch Skizzen und ein Architektur-­‐Modell dargestellt. Des weiteren sind die Kostüme aus dem Filmbeitrag “El find el mundo” in dem Raum ausgestellt.

Die Gesamtinstallation hat mich durch ihre multimediale facettenreiche Ausarbeitung sehr in ihren Bann gezogen. Besonders durch die nüchtern-­‐informative Atmosphäre der Filmbeiträge bekommt die Installation Realitätscharakter der erst durch die differenzierte Bearbeitung begeistert aber auch Unbehagen bereitet, so wie es viele distopische Konzepte vermögen. Der Betrachter der Gegenwart wird über die Lebensverhältnisse der postapokalyptischen Zukunft aufgeklärt. Bei genauerem überlegen definiert sich das verspürte Unbehagen des Betrachers durch die sachliche Verknüpfung der Ursache für die Notwendigkeit der vorgestellten Innovationen der Zukunft mit den Handlungen des Gegenwarts-­‐Menschen. Des Weiteren ist das allzu menschliche Konzept, nicht die Ursache, beispielsweise den Wassermangel zu bekämpfen, sondern die Menschen, auf die sich das Produkt der Ursache, der Wassermangel, negativ ausprägt, durch artifizielle Organe zu verändern. Die ästhetischen Prinzipien der Installation haben mich ebenfalls sehr begeistert. Besonders durch die Zusammenarbeit mit Designern, Wissenschaftlern und Architekten entsteht eine Wirklichkeitsillusion die dennoch mit einem gewissen neutralen Abstand betrachtet werden kann. Die Künstler zeigen eine distopische Zukunftsperspektive die durch die wissenschaftliche Genialität von dem eigentlichen Grauen ablenkt. Gelenkt durch diese faszinierende Distanz wollte ich den Gedanken des Ressourcenmangels noch auf weitere Ebenen ausdehnen und den Menschen noch für andere Mängel artifiziell verändern. Der Gedanke der sachlichen Funktionalität des Menschen der bereits sozial und affektiv verkümmert ist hat mich dabei zu weiteren artifiziellen Organen inspiriert. Zudem kam das ungute Gefühl der Betroffenheit durch die gegenwärtigen Zerstörungsprozesse der Welt die in der Zukunft auch ihre Auswirkungen haben könnten/werden. Wassermangel wird wohl nicht das einzige Problem bleiben bei Korruption, Genmanipulation und dem Verfall der Moral. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ich durch die sachliche illusionsstiftende Atmosphäre der Installation zu einer ebenso emotionslosen Unbetroffenheit befähigt wurde. Im Rahmen des Seminars documenta -­ do it yourself möchte ich meine Weiterführung der Installation “News from Nowhere” im Bereich Nahrungsversorgung vorstellen.

Um die Installation weiterzuführen und meinen Abstand zur Thematik beizubehalten habe ich mich ebenfalls für die englische Sprache entschieden. Ich wählte die Lebensform ‚Egotopia‘ der Installation als Grundlage für weitere Überlegungen (s. Bild1). Aus Abstraktionsgründen der Thematik habe ich mich für eine vereinfachte Darstellungsform mit reduzierter Farbpalette entschieden. Zudem wollte ich den Informationscharakter für die ‚wissenschaftlichen Innovationen’ beibehalten. Die Kopfbedeckung der abgebildeten Zukunfts-­‐Menschen und der Verweis ‚powerede by TEMPUS‘ soll auf die enge Verbundenheit mit der Installation “News of nowhere” verweisen. Bild2 macht die Frau zum Versorgungsapparat der Menschheit mit dem lebensnotwendigen Nährstoff Calcium. Die Methode weiblichen Säugetieren Hormone zu verabreichen die sie durchgehend Milch produzieren lassen ist bekannt. Aber in einer Welt wo die Tiere durch vorrangegangene Ausbeutungen durch die Wissenschaft ausgestorben sind, müssen Frauen diese Funktion übernehmen.

Bild3 beschäftigt sich mit der Durchleuchtung des menschlichen Körpers hin auf die notwendigen Funktionsapparate. Durch die Technisierung der Welt stellt sich zunehmend die Frage wofür die Extremitäten noch mit Nährstoffen versorgt werden müssen. Wenn Nahrungsmittel knapp werden und soziale Isolation und ein Funktionalitätsdisput herrschen reicht es aus wenn Gehirn und die überlebenswichtigen Organe im Rumpfbereich mit Nährstoffen versorgt werden. Bild4 zeigt die Innovation für eine Zukunft in der Nahrungsmittel verseucht und Vegetation abgestorben ist. Ganz im Sinne der Kristall-­‐Dekoartikel oder chemische Experimentbaukästen für Kinder kann auch lebenswichtiges Verdauungsgut sich selbst durch die Beigabe von vorhandenen Ressourcen produzieren. Über den Dekoartikel schüttet man Wasser und es bilden sch kitschig-­‐schillernde Kristallkulturen. Selbiges geschieht durch den Einwurf einer ‚Repetation Capsule’ im Magen des Menschen nur dass anstatt des Wassers die natürlich vorhandene Magensäure ihren Dienst tut und die Kristallkulturen die im Magen wachsen einen hohen Nährstoffgehalt und Sättigungsfaktor in sich vereinen. Die künstlerische Auseinandersetzung mit Science-­‐Fiction, in Verbindung mit gegenwärtigen Fehlverhalten und distopischen Kategorien birgt für mich noch weitaus mehr potenzial und ich werden mich an anderer Stelle noch weiter mit der Thematik beschäftigen. Allein schon wegen dieser Erkenntnis war für mich der documenta-­‐Besuch sehr lohnenswert und der praktische Arbeitsauftrag eine gelungene Cjance zur Inspiration.

 

Yan Lei: Limited art project

(von Melanie Schmitt und Lisa Gräf)

Video

Der chinesische Künstler Yan Lei hat für die dOCUMENTA(13) in der documenta-Halle eine raumfüllende Installation entwickelt. 360 figurative Bilder, deren Vorlagen aus dem Internet stammt, präsentieren sich dicht aneinander gehängt an den Wänden, so wie von der Decke hängend und in Gemäldeschränken verstaut. Der Besucher verliert sich in einer Flut der 360 Bilder – eine Zahl, die mit der Anzahl der chinesischen Kalendertage übereinstimmt. Während der 100 Tage der dOCUMENTA(13) werden der Installation jeden Tag drei bis vier Bilder entnommen, zur nahegelegenen Volkswagen-Fabrik in Baunatal gebracht und in der industriellen Produktionsanlage mit dem typischen VW-Autolack übersprüht. Dann kehren sie zur Ausstellung zurück und verwandeln den Raum langsam in ein Meer monochromer Bilder.

Abschliessen war nicht zweifelsfrei heraus zu finden ob die Bilder in einer bestimmten Reihenfolge abgehängt werden. Im Dunklen bleibt auch, ob Yan Lei die Bilder selbst gemalt hat oder malen lies. Während der dtour wurden wir auf das Werk Yan Leis‘ aufmerksam. Unser Guide erzählte uns, was mit den Bildern passiert und das Kunstwerk erschloss sich sofort. Eine Masse von Bildern. Bilder tauchen auf, verschwinden beziehungsweise verändern sich. Der Mensch gelangt durch das world-wide-web sehr  einfach an eine Unmenge von Bildern. Das einzelne Bild wird trivial und verliert mehr und mehr an Bedeutungskraft. Wir selbst nutzen das Internet täglich und kennen den zur Selbstverständlichkeit gewordenen Umgang mit der riesigen Anzahl von Bildern.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=n5j6qymtAzc&version=3&hl=de_DE&rel=0]

Zu unserer Reaktion

Unsere Performance dient der Weiterentwicklung und Konkretisierung des Werks. Sie unterstützt es, funktioniert aber auch ohne den direkten räumlichen Kontakt, da die Aussage für sich alleine stehen kann. In Form eines Dialogs, haben wir die Thematik Yan Leis` Kunstwerks aufgegriffen und den Blick des Zuschauers auf einen Bereich fokussiert, in dem das ändern und löschen von Bildern ganz selbstverständlich stattfindet – dem sozialen Netzwerk. Der von uns gesprochene Dialog spiegelt die Kommunikation zwischen Computerplattform und Mensch wieder. Um den Kontrast zwischen User und Plattform zu verstärken, ist Sprecherin1 in der emotionslosen Computersprache geblieben. Die Performance endet mir der ständigen Wiederholung des Satzes „Ein Bild, ist ein Bild…“ und spiegelt die Masse an Bildern wieder, denen wir ständig ausgesetzt sind. Durch die Worte „ändern“ und „löschen“ stellen wir einen direkten Bezug zu dem Kunstwerk her. Um die Art und Weise, wie Computer und Mensch miteinander interagieren darzustellen (Computerplattform kommuniziert lediglich mit einem Nutzer, während dieser die Plattform nutzt, um mit anderen Menschen zu kommunizieren) haben wir folgende Positionen eingenommen:

Reflexion

Keiner von uns ist vormals Akteur in einer Performance gewesen. Weg von unseren üblichen Medien, überwanden wir unsere anfängliche Scheu und traten in eine neue Form der Kommunikation und Interaktion mit Betrachter und Kunst. Auch deshalb war diese Intervention für uns besonders spannend und bereichernd. Als wir die Performance später ein zweites Mal im Installationsraum durchführten, blieben einige Menschen um uns herum stehen. Eine Frau hörte augenscheinlich zu, andere verharrten kurzweilig interessiert. Vermutlich konnten die „Zuschauer“ nicht zuordnen ob unsere Intervention zum Kunstwerk gehört, oder nicht. Wir hatten das Gefühl, dass wir das Kunstwerk durch unsere Performance unterstützten; unsere Intervention zum nachdenken anregte und vielleicht sogar einen Zugang zum Werk Yan Leis` ermöglicht hat. Es wäre schön gewesen, die Texte frei sprechen zu können. Dadurch wäre die Aussage konkreter geworden. Die Performance fügte sich in das Kunstwerk ein, wurde für einen Moment Teil von diesem. Ein flüchtiges Erlebnis, für Akteur und Zuhörer. Doch das Bild bleibt.

Dialog (Performance)

1: Social Network
Peter Pan hat sich eingeloggt
2: Neues Profilbild anlegen
———————————-
1: Google-Suche
Suche Bilder ab 1025 mpx
2: Suche Peter Pan
1: In 0,12 Sekunden 360.000 Treffer für „Peter Pan“
2: Grafik „ppan05“ speichern
———————————-
1: Social Network
2: Neues Profilbild anlegen
1: Wählen Sie ein Foto aus
2: Wähle Grafik „ppan05“
1: Möchten Sie diese Grafik speichern?
2: Ja.
————————————
1: Sarah hat dein Profilbild kommentiert
2: „Lustiges Bild!“
1: Micha hat dein Profilbild kommentiert
2: „Alter! Peter Pan geht gar nicht!“
1: Alex hat dein Profilbild kommentiert
2: „Ich finde das Bild voll gut!“
————————————-
1: Sind Sie sicher, dass Sie ihr Profilbild ändern wollen?
2: Ändern.
1: Wollen Sie ihr altes Profilbild löschen?
2: Löschen.
—————————————-
1: Ein Bild ist ein Bild
2: ist ein Bild
1: ist ein Bild
2: ist ein Bild
1: ist ein Bild
2: ändern
1: ist ein Bild
2: ist ein Bild
1: ist ein Bild
2: löschen
1: ist ein Bild
(Wiederholung -beliebig oft)
1: ist ein Bild
2: löschen

 

Julie Mehretus: Mogamma

(von Anna Weilert)

Ich habe mich für die Bilderserie „Mogamma“ von Julie Mehretu entschieden. Julie Mehretu (42) ist eine in New York lebende Künstlerin mit äthiopischer Abstammung. Ich bin bereits durch eine Dokumentation über die Documenta auf Arte auf die Künstlerin und ihre komplexen Werke aufmerksam geworden. Ich fand die Kombination zwischen Malerei und Zeichnung – das Abstrakte und die architektonische Genauigkeit besonders spannend, doch vor Ort haben mich die vier, mehrere Quadratmeter großen Leinwände überwältigt. Sie haben was sehr lebendiges, da sie aus verschiedenen Entfernungen ganz unterschiedlich wirken. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass hinter dem Ganzen ein System – irgendein Code steckt – den ich aufdecken muss. Meine ersten Schwierigkeiten habe ich bekommen, als ich die Leinwände abzeichnen wollte. Durch die Überlagerungen von Bildelementen und die wahnsinnige Vielfalt an Formen war es zunächst sehr schwierig in das Bild „einzudringen“. Beim genaueren Betrachten habe ich versucht durch ein paar Skizzen die einzelnen Bildelemente auf verschiedene Ebenen aufzuteilen, die ich durch das Transparentpapier darstellen wollte. Die unterste Ebene besteht aus transparenten, farbigen (Grün, Violett, Gelb, Dunkelblau) Linien die teils gerade teils gebogen verlaufen und sich auch gelegentlich kreuzen. Darauf sind archetektonische Gebäudezeichnungen von Revolutionsplätzen die bis zur Unkenntlichkeit übereinander, mit feinsten Linien geschichtet werden. Diese werden größtenteils vom Nahen sichtbar. Darüber liegen weitere schmale Linien- deren Farbigkeit diesmal deutlicher heraussticht und schwarze, chaotisch wirkende Pinseltupfer in verschiedener Anordnung und Dichte. Zudem Befindet sich auf der 1, 3 und 4 Leinwand eine geometrische, transparente Form in den Farben Grün, Hellrot, Gelb und Hellgrün. Auf den Leinwänden tauchen diverse weitere „Pixel“ ähnliche Muster in Schwarz und Grau. Es war einfach unmöglich irgendeinen Zusammenhang herzustellen. Obwohl die 4 Leinwände ähnliche Strukturen aufweisen unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Die Bildelemente scheinen auf den ersten Blick rein zufällig zu sein und passen wahnsinnig gut in das Konzept.

Meine Idee war selbst ein System mit ähnlichen Elementen aufzubauen. Da ich keine Architekturzeichnungen zur Hand hatte – habe ich die Gebäudegrundrisse von den Documenta – Ausstellungshäusern genommen und bei den Linien habe ich mich an den Straßen von Kassel orientiert. Diese habe ich auf Transparente Papierbögen (Din A4) übertragen und übereinander gelegt. Ich habe es auch bei den beiden Ebenen belassen, da ich bei der 3. Ebene nicht mehr ein eigenes System durchziehen konnte. Obwohl es weniger Elemente, in einem deutlich kleinerem Format waren, ist mir noch bewusster geworden wie aufwändig Julie Mehretus Werke sind und wie komplex sie aufgebaut sind. Jetzt kann ich nur sagen, dass ich Ihre Arbeiten unheimlich kompliziert finde.

William Kentridge: „The Refusal of Time“

(von Laura Stern)

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=mbkIxQFjDHo&version=3&hl=de_DE&rel=0]

Die Videoinstallation „Die Verweigerung der Zeit“ des afrikanischen Künstlers William Kentridge ist ein lustvolles Erlebnis das sich mit der Frage beschäftigt „Wie können wir uns gegen die Zeit stellen?“. Die multimediale Oper, die für die documenta13 entwickelt wurde, zeigt die Geschichte der Zeitmessung in einzelnen Kapiteln projiziert auf drei Wände. Dabei wird sie begleitet von eigens komponierter Musik und geleitet durch eine gewaltige Atemmaschine die im vorderen Bereich des ca. 40qm großen Ausstellungsraumes steht. Sie bestimmt mit ihrem mächtigen Takt den Rhythmus und die Atmosphäre. In der Mitte des lichtarmen Raumes stehen Stühle, die einladen um auf ihnen zu beobachten. Wie einst Galileo die Zeit an seinem Herzschlag mass, bildet Kentridge den Dialog und Gegensatz zwischen fleischlich, imperfekt und maschinell, perfekt – der Zeit. Gewohnt inszeniert sich Kentridge in seinen Bildfolgen, sowie seine Hauptfgur die Tänzerin Dada Masilo. Masilo ist wie die anderen Tänzer und Musiker aus Kentrigdes Heimat Johannesburg und soll seinen Widerstand gegen den Kolonialismus ausdrücken. Die Verweigerung der Zeit bedeutet das Ende der Sicherheit, das Ende einer Scheinsicherheit die durch das Ticken der Uhr bestimmt wird. Wenn man sich Ihrer verweigert, so Kentridge, sieht man die Welt mit anderen Augen.

Werksentscheidung | Wandlung des Werks durch eigene Wahrnehmung

Kunst bedeutet für mich, einen Rahmen zu schaffen der mir die Möglichkeit liefert mich in eine andere Welt zu begeben, in eine Welt der Phantasie und zu mir selbst. Die documenta13, wie auch andere Ausstellungen, veranlassen zum Träumen, Nachdenken, Reflektieren und in Frage stellen der eigenen Gewohnheiten und Realitäten. Bevor ich die Installation Kentridges im Kulturbahnhof sah, besuchte ich eine Darbietung des amerikanischen Künstlers und Musikers Llyn Foulkers. Er sang und musizierte auf selbstgebauten Instrumenten. Seine Texte handelten primär von der Kritik an Hollywood und allem Unechten, Inszenierten und Oberflächlichem. In meinen Gedanken fühlte ich mich frei und bekam einen Abstand von der stressigen Großstadt. Ich konnte mich fallen lassen und mal nicht auf die Uhr schauen, weil es keine Termine gab, nur Foulkers für einige Momente und meine volle Hingabe. Ich besuchte die Orangerie welche Exponate zum Thema Zeit und Weltbilder, Technik, Physik und Fortschritt zeigt. Meine Gedanken und Gefühle waren nach der Orangerie weiterhin davon geprägt, was die Uhr, die Zeit, mit uns Menschen macht. Das sie bestimmt, taktet, gleichschaltet. Das wir funktionieren wie Roboter. Getaktet, geschaltet. Uni, Arbeit, Sport, Schlafen, Essen, Freunde, Wecker, tick tack tick tack. Das man Exkursionen wie die documenta13 aus Zeitmangel eigentlich nicht wahrnehmen kann, es dann tut und froh ist los lassen zu können. Zeit für Kunst zu haben, Zeit für sich selbst zu haben. Mit diesen Gefühlen betrat ich Kentridges prachtvolle Installation und war unglaublich gepackt und fasziniert. Die Bildabfolgen packten mich, die Musik ergriff mich emotional. Ich wurde in einen andere Welt geführt. Konnte mich selber wieder klarer sehen und war beeindruckt von dem was Kentridge dort schuf.

Reaktion

Während der documenta13 machte ich Notizen und Skizzen und wollte mich nach dem Seminar malerisch, auch eventuell in Form von einer Collage meinem eigenem Werk als Antwort auf Kentridge nähern. Das veruchte ich auch, stellte aber fest, dass ich mit dem gewählten Medium nicht glücklich war, weil dieses eine falsche Interpretation zu lies. Auf Grund dessen wählte ich den PC als graphisches Gestaltungsmittel. Meine graphisch gestaltete Antwort auf Kentridge zeigt mein Gefühl der Gedanken auf der documenta13, vereint mit der Reaktion auf sein Werk. Man sieht in auf meinem Print „ Me time.“ den Taktmacher aus Kentridge zentriert und auch Schriftzüge. Mein Print ist von den Zahlen der Zeit bestimmt, besonders der Zahl „8“ die für die Unendlichkeit steht und den Prozess zu keinem Ende bringt, jeder Widerstand ist zwecklos. Im Hintergrund ist ein Läufer zu sehen, auch er läuft gegen die Zeit. Er ist wie ich jedoch fleischlich und keine Maschine. Für mich, der einzige Moment im Alltag wo ich wirklich los lassen kann und obwohl ich auf die Zeit schaue und sie sogar messe, sie vergesse.

 

Kader Attia: „The Repair from Occident to Extra-Occidental Cultures“

(von Rebecca Bucks)

Ganz oben im Fridericianum befindet sich das Werk des französisch- algerischen Künstlers Kader Attia. Der 1970 in Frankreich geborene und heute zwischen Berlin und Algerien leben- und arbeitende Künstler setzt sich in seinen Werken oftmals mit Themen wie Immigration, Religion und den Gegensätzen der westlichen und abendländischen Kultur auseinander. Häufig werden diese in Installationen, Videos und Fotografien umgesetzt. Kader Attias Beitrag zur dOCUMENTA 13 in Kassel ist unter dem Namen „The Repair from Occident to Extra-Occidental Cultures“ vertreten. In einem recht spärlich beleuchteten museal gehaltenen Raum befinden sich auf der, dem Eingang gegenüberliegenden Seite, Vitrinen mit Objekten aus Kriegen. Haushalts- und Dekorationsartikel, die aus alten, zusammengeschweißten Patronenhülsen gefertigt wurden und all dies im Kontext der arabischen und afrikanischen Welt. Es sind Dinge, die durch das Umfunktionieren eine neue, friedlichere Bedeutung bekommen haben. Nahe den Vitrinen befinden sich deckenhohe, metallene Lagerregale. Auf ihnen stapeln sich Bücher über afrikanische und europäische Kunst, Geschichtsbücher und (pseudo-) medizinische Auseinandersetzung mit der Bevölkerung Afrikas zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Jedoch kann man sich keines davon anschauen, alle sind mit auffälligen, dicken Schrauben an jeder Ecke zugedreht. Zudem sind die Regale besetzt mit Skulpturen von entstellten, europäischen Veteranen des ersten Weltkrieges, grobgehauene Holzbüsten. Diese hatte Attia im Vorfeld von afrikanischen Künstlern in Auftrag geben lassen. Im Gegensatz dazu, die feinzügigen Büsten afrikanischer Menschen. Ihre Gesichter sind zwar auch von Narben oder Deformierung des Schädels gezeichnet, diese sind jedoch alle Teil von Initiationsriten und somit Teil ihrer Kultur.

Ganz hinten im Raum ist noch eine Leinwand aufgebaut, auf der Fotografien von westlichen Kriegsopfern und ihren Operationen, sowie, gegensätzlich dazu, afrikanische Riten und „Körperkunst“ gezeigt werden. Ebenfalls werden immer wieder Gegenstände eingeblendet, die zwar eigentlich kaputt sein sollten, jedoch von Afrikanern wieder repariert worden sind. Die vorherige Ästhetik ist zwar verloren, einen neue konnte jedoch wieder hergestellt und die Funktionalität zurückerworben werden. Ehrlich gesagt hat mich dieses Werk so sehr schockiert und gleichzeitig begeistert, dass ich mich den ganzen Tag nicht richtig von ihm lösen konnte. Zwar habe ich noch andere interessante Arbeiten auf der dOCUMENTA gefunden, jedoch konnte keine mich so sehr visuell gefangen nehmen. Kader Attias „The Repair from Occident to Extra-Occidental Cultures“ wurde unserer Gruppe bei einer Führung durch das Fridericianum vorgestellt, als einer der letzten Räume unseres Rundgangs. Wir hatten nur kurz Zeit uns einen Eindruck zu verschaffen, doch der hatte es in sich. Der Raum war zunächst dunkel und die Luft sehr stickig. Dazu kamen die verstörenden Bilder, die man nicht richtig in einen Kontext bringen konnte. Als ich mich dann zum zweiten Mal in den Raum begeben hatte um meine Eindrücke künstlerisch umzusetzen, hat dieses bedrängende Gefühl, das ich schon beim ersten Besuch hatte, nicht nachgelassen. Ich wollte dieses in zeichnerische Arbeiten umwandeln. Dabei habe ich mich nur auf die groben Holzschädel konzentriert und teilweise auch auf die Videoinstallation. Zunächst viel mir die Umsetzung recht einfach, ich konnte zeichnen, ohne mich emotional mit den Köpfen auseinanderzusetzen. Doch durch die Wärme und die permanente Flut an schockierenden Bildern hat man sich immer mehr auf das Wahrgenommene konzentriert. Ich empfand einen Ekel und es schwirrte mir der Kopf. Ähnlich ging es anderen Besuchern des Raumes, man konnte vor der Videoinstallation immer wieder Ausrufe des Entsetzens hören oder man sah, wie Menschen sich abwanden. Gleichzeitig empfanden viele eine Art Neugier oder Faszination für diese Bilder. Wie bereits der Titel ankündigt, setzt sich Kader Attia in diesem Werk unteranderem mit den verschiedenen ästhetischen und ethischen Vorstellungen von Reparatur auseinander. Besonders ins Auge gefallen sind die unterschiedlichen Illusionen von Perfektion und Schönheit. Man kann dieses Werk auch gut in der Hinsicht auf den heutigen Kontext und die Vorstellung von Schönheit sehen. Denn Tätowierungen und Piercings sind heutzutage auch ein Teil unserer Gesellschaft, genauso wie Schönheitsoperationen und damit verbunden das Einsetzen von Implantaten. Reparieren kann damit aus vielerlei Sicht betrachtet werden.

 

Kader Attia: „The Repair from Occident to Extra-Occidental Cultures“

(von Sandra Korintenberg)

Kader Attiaist Sohn einer algerischen Einwandererfamilie und wuchs in denPariser Banlieus auf. Er ist 1970 geboren und studierte an der École Nationale Supérieure des Arts Décoratifs in Paris und später an der Escola de Artes Applicades in Barcelona, heute lebt und arbeitet er in Berlin. Als Künstler beschäftigt er sich vorzugsweise mit den Medien Fotografie, Video und Installationen, wobei er sich darin sehr mit Themen wie Identität und Genderrollen auseinandersetzt vor dem Hintergrund der Immigration und deren Geschichte. Aber auch findet man in seinen Arbeiten eine abstrakte aber konsequente sozialkritische Haltung, wobei er sich insbesondere mit Problemfeldern und Zusammenhänge mit interkulturellen Konflikten auseinandersetzt die auf seine eigene biografischen Herkunft schließen lassen. Er zeigt auf der dOCUMENTA13 seine Installation „The Repair from Occident to Extra-Occidental Cultures“. Dieses Kunstwerk besteht aus einem sehr düsteren Raum, der durch seine Geschlossenheit, dem gerichteten warmen Licht, dem Geruch und der Geräusche eines immer im Tackt klickenden Diaprojektors den Besucher in eine merkwürdige und intensive Welt versetzt.Das Leittehema der docmenta13 „Zusammenbruch und Wiederaufbau“ hat Kader Attia zum Anlass genommen um eine Gegenüberstellung zwischen notdürftigwiederhergestellten Gesichtsoperationen aus dem Ersten Weltkrieg sowie Zeugnisse der Zerstörung wie Granat-und Patronenhülsen die kunstvoll zu Gebrauchsobjekten undKriegsandenken („Schützengrabenkunst“) verarbeitet wurden. Diese stehen im Kontrast zuafrikanisch kulturellen Traditionen der Reparaturverfahren wie Flick-und Stopftechnikendie zB. Bruchstücke von reparierten Tellern, Schalen oder Stühlen selbstbewusst darstellen anstatt sie zu verstecken. Dargestellt wird dies in langen eisernen Regalen mit groben holzgeschnitzten Nachbildungen von Kriegsopfern und einigen wenigen aus schwarzem Marmor gegossenen afrikanischen Köpfen. Alle Nachbildungen sind in irgendeiner weise entstellt,sei es durch den Krieg oder durch die „Selbstverstümmelung“. Beim Gang durch diehohen Regale die eine fluchtähnliche Wirkung haben, liegen Bücher zum Thema Mensch,Reparatur, Prothesendarstellung und so weiter.

Als ich das erste Mal diesen Raum betrat habe ich diesen als sehr düster, nah, intensiv und schockierend empfunden. Es waren ganz viele kurze unscharfe Augenblicke in dem ich diesen Raum abgescannt habe und von einem schlimmen entstellten Gesicht zum anderen blickte und weitergetrieben wurde um nicht zu lange an einem zu verharren unddiesen richtig ansehen zu müssen. Es war ein sehr intensives Gefühl von erstarren, nichtverstehen warum das so ist was man sieht, ein bedrückendes und schockierendes Gefühlhat mich umgeben. Beim hindurchgehen der hohen Regale habe ich eine gewisseAnspannung empfunden die mich fluchtartig hindurch laufen ließ, vorbei an Büchern mitteils schockierenden Abbildern die durch lange Schrauben durchbohrt waren, bis hin zum Diaprojektor. Dort wurde ich dann mit Fotografien von Kriegsopfern des ersten Weltkriegs konfrontiert die jeden der stehen blieb sehr in seinen Bann zog und schockierte. Es war eines der Kunstwerke die so intensiv und präsent auf mich gewirkt haben, dass ichmich aus diesem Grund dafür entschieden habe. Für mich war es die absolute Konfrontation mit diesen entstellten Gesichtern des ersten Weltkrieges die so intensiv im Kontrast zu der afrikanischen „Skarifizierung“ und den Reparaturdarstellungen von ganz gewöhnlichen Alltagsgegenständen stand. Beim zweiten und viel längeren Besuch in diesem Raum „Repair“ habe ich über dieseGegenüberstellung und diesen Vergleich den Kader Attia darstellt intensiver nachgedachtund habe mich über mich selbst gewundert das ich bisher in Dokumentationen von afrikanischen Völkern die sogenannte Skarifizierung oder Narben-Tatuierung, sei es dieÜberdehnung der Unterlippe oder die Narbenlinien im Gesicht, nie als „Verletzung“ angesehen habe. Sondern als Teil von ihnen und ihrer Tradition oft auch zum Zwecke der Verschönerung oder des kulturellen Status. Bei dieser Gegenüberstellung von dem Künstler Kader Attia habe ich diese kulturelle meist kunstvolle Gestaltung die bei denmeist afrikanischen Völkern ein Zeichen von Schmuck darstellt als Verletzung wahrgenommen, zwar eine selbstzugefügte aber dennoch eine Verletzung oder Entstellung. Auch fand ich es sehr interessant die Tongefäße mit ihren großen Narben zusehen, die Mühe die in diese zerbrochenen und zerstörten Alltagsgegenstände investiertwurde fand ich sehr spannend und sehr besonders. Als würde ein ganz normaler Gebrauchsgegenstand zu einem besonderen individuellen und durch die Zeit geprägtenGegenstand hinauf erhoben. Eine Wertschätzung die in der Welt in der wir leben selten zufinden ist. Interessant fand ich auch die Reaktionen der Besucher, die sich wegdrehten beim Anblick der entstellten Gesichter oder die ihren „Guide“ fragten, ob sie nicht etwas schöneres angucken könnten. Kinder die sagten, wie hässlich die Köpfe seien oder einfach nur bedrücktes Schweigen von Seiten der Besucher. Wenige von ihnen blieben länger indiesem Raum, viele sind gar nicht erst richtig weit in den Raum hineingegangen, sie ließendie Konfrontation dieses Kunstwerks gar nicht erst zu.

Meine Interpretation dieses Kunstwerks ist im Grunde ein Abbild meiner ersten Gefühle,des ersten Augenblicks den ich empfunden habe als ich diesen Raum betreten habe. Es waren die vielen kurzen, eher unscharfen Augenblicke die ich in meiner Reflexion fotografisch und zeichnerisch umgesetzt habe. So habe ich versucht meine ersten Augenblicke auf dieses Kunstwerk in einer neuen Arbeit zu reflektieren.Bei der Ausarbeitung habe ich die verschiedenen Medien Fotografie, Zeichnen und Typographie in einer Collage zusammengefügt. Dabei war mir die düstere und etwas bedrückende Stimmung, sowie die Aussage des Künstlers „Repairs“ besonders wichtig.Ich wollte Bilder darstellen, die auch einen intensiveren Blick benötigen um verstanden zuwerden um richtig gesehen zu werden und um entdeckt zu werden. Die vielen kleinenKonfrontationen in diesen Collagen sieht man erst bei intensiver Betrachtung, genausowie bei Kader Attia, der die Besucher herausfordert und konfrontiert.

 

Pedro Reyes: Sanatorium

(von Janina Klemm und Christina Schlottmann)

Das Sanatorium ist eine Rauminstallation die in der Aue steht, hier können sich Besucher „Einweisen“ lassen und dann kurze und ungewöhnliche Behandlungen besuchen. Es gibt verschiedenste Therapien zu verschiedenen Alltagsproblemen wie Stress, Einsamkeit oder Angstgefühle in der Beziehung oder im Beruf. Zum Beispiel „Vaccine Against Violence“ bei dieser Therapie wird der Therapeut sie anweisen einen Ballon aufzublasen und an einer Kopflosen Puppe zu befestigen. Dann sollen sie ein Gesicht auf den Ballon zeichnen von einem Menschen der Ihnen viel Leid angetan hat. Danach werden sie ermutigt diese Puppe zuschlagen und Ihrer Wut freien lauf zulassen. Nach jeder Therapie bekommen die Patienten eine Zuckerpille (einen Placebo) der bei jeder Therapie einen anderen Namen und auch eine andere Wirkung haben soll. Bei der oben genannten Therapie jetzt die Pille „Impfstoff gegen die Gewalt“.

Pedro Reyes ist 1972 in Mexiko geboren und lebt heute noch dort. Er arbeitet mit dem erweiterten Skulptur Begriff und schafft so Kunst zum mitmachen. Er ist bekannt für seine überraschenden Lösungen die zugleich einfach wie funktional sind. 2008 begann er ein Projekt „Palas por Pistolas“ hier können die Bürger eine Waffe abgeben und bekommen dafür etwas Nützliches wie eine Kaffeemaschine o.ä. Bis heute wurden 1527 Waffen eingesammelt.

Wir haben uns dieses Projekt ausgesucht, da uns die Kunst zum Mitmachen fasziniert hat und wir diese Unkonventionelle Auseinandersetzung mit Alltagsproblemen sehr gut fanden. Besonders bei der Therapie „Cityleaks“ auf die wir reagiert haben. Hierbei handelt es sich um eine Box in der Leute Geheimnisse aufschreiben und hinein werfen. Im Gegenzug dürfen sie sich einen anderen Zettel herausnehmen. Hierbei soll den Leuten klar gemacht werden, dass sie nicht alleine sind und alle Leute Geheimnisse und Sünden mit sich durch das Leben tragen und sich somit besser fühlen. Dazu haben wir auch eine Kiste gebastelt mit der Aufschrift „Hose runter!“ und hier sollten zum Abschluss von unserem Seminar alle Teilnehmer ein Geheimnis aufschreiben und diesen Zettel in die Box werfen und sich einen anderen herausnehmen. Zuerst herrschte Uneinigkeit ob man die Geheimnisse danach laut vorlesen soll, die meisten waren dagegen. Doch als alle einen anderen Zettel gezogen hatten wollte man diesen auch gerne vorlesen. Das ist genau der Effekt der durch so ein Projekt erzielt werden soll. Man kann eben besser über fremde Geheimnisse sprechen und sieht auch, dass andere auch Geheimnisse haben. Die man manchmal sogar als schlimmer empfindet als die eigenen.

 

István Csákány: The Sewing Room

(von Eva Wolters)

Der Künstler wurde 1978 in Rumänien geboren und lebt und arbeitet nun in Ungarn. Von 1999 bis 2006 an der Hungarian Academy of Fine Arts in Budapest studiert. Seine Werke sind meistens Installationen – einzelne Gebilde oder ganze Räume –, allerdings gibt es auch einige Plastiken, Objekte und Malereien. Das Material Holz wird von Csákány sehr häufig verwendet: es wird zurecht geschnitten, zusammengesetzt oder als Holzschnitt benutzt. Die Arbeit „The Sewing Room“, das im Nordflügel des alten Hauptbahnhofes steht, ist eine Installation aus Holz und Stoff. Es zeigt eine verlassene Fabriknäherei, die komplett aus Holz geschnitzt wurde, und sieben menschliche Figuren, die nur aus ihren Kleidungsstücken bestehen. Die Nähstube hat einen Boden und eine Decke mit Kabelhalterungen, darin stehen 7 Tische mit Stühlen und Nährmaschinen, alle in einem unterschiedlichen Design. Außerdem befinden sich in diesem Raum ein Mannequin, an dem mal Kleider passend schneidern kann, und eine Maschine, mit der man die Kleidungsstücke glätten kann. Die Figuren, die neben der geschnitzten Nähstuben stehen, sind in Gruppen angeordnet und haben alle eine unterschiedliche Körper Haltung. Die Kleider bestehen aus einem feinen dunkelblauen Stoff und sehen auf den ersten Blick aus wie Anzüge, auf den zweiten jedoch ist zu erkennen, dass es sich um Arbeitskleidung handelt, um eine Kombination aus Latzhose und Jacke. Die Figuren haben allerdings keine Körper, lediglich ihrer Kleider formen menschliche Rümpfe und Extremitäten; aus Krägen, Ärmeln und Hosenbeinen ragt nichts heraus.

Ich habe mir dieses Werk ausgesucht, weil ich Holz als Material sehr spannend finde und vor allem von Csákánys Art, es zu bearbeiten, fasziniert bin. Holz ist einerseits ein so sprödes Material, kann aber auch in sehr runde, geschwungene Formen gebracht und extrem glatt geschliffen werden. Es ist hart und kaum biegsam, wird in diesem Werk jedoch in Formen gebracht, die dem widersprechen: Die Stromkabel, an die die Nähmaschinen angeschlossen werden können, sind rund und gebogen, wie echte Kabel eben, die von der Decke hängen und auf dem Tisch aufliegen oder frei in der Luft baumeln. Beim Betrachten hatte ich das Gefühl, einfach an so ein herunter hängendes Kabel tippen zu können und es so zum Schwingen zu bringen. Daher habe ich als praktische Arbeit etwas geschnitzt, was dem Material Holz, also der Sprödigkeit und Härte, entgegen gesetzt ist; heraus gekommen dabei ist eine runde, weiche, geschwungene Form. Ich habe mir einen Kiefernzweig genommen und ihn zuerst mit einem Taschenmesser grob in Form geschnitzt; in eine etwa 19,5 cm lange, 1cm dicke, gewellte Spindel. Dann habe ich den Stab mit Schleifpapier geschliffen, sodass die Oberfläche ganz glatt geworden ist. Dadurch ist die Maserung des Holzes deutlich sichtbar geworden, was das Ganze noch etwas interessanter macht. Mein Schnitzwerk passt zwar nicht ganz zu Csákánys Stil (am ehesten passt es zu den Kabeln, doch dafür ist es nicht rund genug und hat zu feine Wellen), doch ich habe es trotzdem so gelassen, wie es jetzt ist, weil ich finde, dass es auch so funktioniert und mein Werk ja keine Kopie von Csákánys Installation darstellen soll. Außerdem – und das ist für mich das Wichtigste an meiner Arbeit – stellt es den Widerspruch zwischen der Sprödigkeit des Materials Holz und seiner äußeren künstlich erzeugten Glätte gut dar.

 

Gustav Metzger

(von Matthias Höing)

Gustav Metzger ist 1926 als Sohn jüdischer Eltern in Nürnberg geboren und kam während des Holocaust nach England. Dort studierte er Kunst an der Cambridge School of Art in London. Metzger ist insbesondere als Begründer der Autodestruktiven Kunst bekannt geworden. Die auf der diesjährigen Documenta veröffentlichten Arbeiten stammen aus dem Frühwerk des Künstlers und entstanden vor seiner Hinwendung zum Autodestruktiven. Die Zeichnungen Metzgers waren vor der Veröffentlichung auf der Documenta weitgehend unbekannt. In diesem Zusammenhang ist auch die Geschichte um die Auswahl des Werkes für die Documenta 13 zu sehen. Carolyn Christov-Bakargiev soll die Zeichnungen in einem alten Koffer entdeckt haben, der seit Jahrzehnten nicht mehr geöffnet worden sei. Einziges Indiz für diese Anekdote ist der zum Teil schlechte Erhaltungszustand der Arbeiten. Auch die für die Zeichnungen gewählte Präsentationsform hängt zum Teil damit zusammen. Die Werke Metzgers wurden in langen mit Stoffplanen bedeckten Glasvitrinen in der Documentahalle ausgestellt. Grund dafür ist zum einen das Bemühen die Arbeiten zu konservieren und zum Anderen eine ganz bewusste Inszenierung der Arbeiten bei der der Betrachter sich auf jedes Werk einzeln einlassen muss. Insbesondere das expressive und abstrakte an seinen Arbeiten hat mich fasziniert. Auch die Verwendung von Farbe und verschiedenen Zeichenutensilien und Materialien und deren Wirkung stand für mich im Fokus der Arbeit. Diese Eindrücke habe ich vor Ort versucht durch Fotos einzufangen (im Anhang) und habe anschließend versucht die vielen Eindrücke, (ohne die Fotos) aus meiner Erinnerung heraus, selber umzusetzen. Dazu habe ich einerseits versucht eigene Aktzeichnungen unter Berücksichtigung seiner Arbeit zu erweitern und auch einige neue Skizzen entwickelt. Auch motivisch habe ich mich an Metzgers Arbeiten orientiert (im wesentlichen Akte und Köpfe). Trotz dieses klassischen Themas beeindruckt seine Umsetzung dadurch, dass die Formen oft erst beim zweiten Hinsehen zu erkennen sind und zunächst die Farbe und die Strichführung den ersten Eindruck bestimmen. Die Auflösung von Formen und Farbigkeit sind wesentlicher Bestandteil von Metzgers Zeichnungen und lassen bereits die zukünftige Weiterentwicklung des Auflösungsgedankens erahnen.

 

Haris Epaminonda, Daniel Gustav Kramer: „The End of Summer“

(von Raphael Di Canio)

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Gegenstand meiner reflexiven Arbeit im Seminar „Do it yourself – Documenta (13)“ ist Haris Epaminondas und Daniel Gustav Kramers Ausstellung  „The End of Summer“ im ZNL Haus auf dem Gelände des Kulturbahnhofs Kassel. Das Projekt besteht aus einem dreistöckigen Haus, dass ein labyrinthähnlich  angelegtes  Zimmersystem beinhaltet. Ausgestellt werden historische Gegenstände, wie Vasen, Bücher, Texte, Photographien, Filme und gerahmte Auszüge aus Bildern. Die von den Zypern stammende Künstlerin Haris Epaminonda lebt und arbeitet in Berlin.

Warum habe ich gerade die Sammlung von Werken genommen, um mein Projekt anzugehen?

Diese Sammlung von Werken hat mich im Vergleich mit anderen Werken auf der Documenta relativ unbeeidruckt gelassen.

Die schlichten Vasen und Bilder, die nur sporadisch  in dem Haus scheinbar wahllos verteilt sind, riefen in mir den spontanen Gedanken hervor: „Ist das Kunst? Und wenn das Kunst sein soll, kann ich das dann nicht auch?“ Geleitet von diesem Gedanken und aus Neugierde legte ich ein Eigenes Werk zu den bereits ausgestellten und betrachtete die Bildwirkung. Ich griff so in den vom Künstler gewählten Raum ein, veränderte und erweiterte ihn womöglich. Ich wählte die Aktdarstellung einer liegenden Frau, die absichtlich vollkommen aus dem vom Künstler gegebenen Rahmen fallen sollte. Mich interessierte dabei, ob es akzeptiert, kritisiert oder gelobt werden würde oder gar Verwirrung hervorrufen sollte. Die Reaktionen waren unterschiedlich, von einigen stillschweigend im vorbeigehen akzeptiert blieben andere einige Zeit vor diesem stehen und diskutierten sogar über seine Aussage. Als ich mein Werk dann schließlich wieder entfernen Wollte und in den von mir veränderten Kunstraum eingriff schauten mich die Menschen verärgert und entrüstet an, was mir zeigt,dass mein Werk letztlich doch akzeptiert worden war.

Des Weiteren positionierte ich behelfsweise eine Kaffeetasse, die ich aus der Jugendherberge mitgebracht hatte an verschiedenen Orten des Hauses. Zur Umsetzung der eigentlichen Idee, eine den von der Künstlerin genutzten Vasen ähnliche Vase mit in die Ausstellung zu schmuggeln und fallenzulassen, um Verwirrung zu stiften und Reaktionen der Besucher festzuhalten, fehlte mir leider die Zeit. Dennoch war es möglich selbst mit der banalen Idee eine Kaffetasse in einem der Räume zu positionieren Verwirrung zu stiften. So diskutierten doch zwei Besucher darüber, ob diese Tasse wohl von jemandem vergessen worden war oder Teil des Kunstwerkes sein sollte. Sie kamen zu dem Schluss, sie sei vergessen worden, doch so wirklich sicher waren sie sich dabei nicht.

Schließlich hat mir mein Projekt gezeigt, dass es ganz egal ist, was in einer Ausstellung ausgestellt wird, doch sobald es die Türen des Museums durchschreitet gilt es in den Augen der Allgemeinheit als Kunst . Auf diese Weise ist es möglich eine unscheinbare Kaffeetasse oder etwas anderes zu einem Gegenstand der Kunst zu deklarieren. Seit der Documenta lässt mich persönlich die Vorstellung nicht mehr los, in den Kunstraum einzugreifen und eigene Werke einzuschmuggeln, ähnlich, wie der englische Streetartist Banksy es getan hat. Mich interessieren die fließenden Grenzen von dem was Kunst ist, und dem was nicht zu ihr zählt, die Intervention in den Raum der Kunst und die Erweiterbarkeit von bereits bestehenden Kunstwerken anderer.