DIY Biennale Venezia – Part 1
Reaktion auf: Hito Steyerl: How Not to be Seen: A Fucking Didactic Educational .MOV File (Gruppenausstellung Arsenale)
von Nikolas Klemme
How Not to be Seen: A Fucking Didactic Educational .HACK File
1) Zu Hito Steyerl:
Hito Steyerl (geboren 1966 in München) ist Filmemacherin und Autorin, deren Werke im Grenzübergang zwischen Kino und bildender Kunst agieren. Die häufige Beschäftigung mit Medien und der globalen Zirkulation von Bildern bilden einen thematischen Raum, den ihre teils provokanten Arbeiten zu bespielen versuchen. Dabei nähert sie sich über ihre Videos einem potentiellen Verhältnis zwischen Sichtbarkeit und Verschwinden an und probiert, deren widersprüchliche Verknüpfungen nachvollziehbar zu gestalten.
2) Zu How Not to be Seen: A Fucking Didactic Educational .MOV File:
Hito Steyerls neueste Arbeit “How Not to be Seen: A Fucking Didactic Educational .MOV File” erinnert teilweise an Testtafeln, wie sie bei Kalibrierungen von Kameras für Luftaufnahmen benutzt wurden. Dieser Vergleich liegt ihrer Arbeit nahe, so beginnt diese mit der Absicht, in einer Bilder flutenden Welt Anleitungen zum Verschwinden, zum unsichtbar werden liefern zu können – bis hin zur vollkommenden Reduktion: Kleiner sein als ein Pixel. Durch diese Reduzierung entdeckt Steyerl einerseits die Erleichterung, innerhalb einer sich in konstanter Bebilderung bzw. Verbildlichung befindlichen Welt verschwinden zu können, andererseits aber die Angst, die mit dem kompletten Verlust der Sichtbarkeit in einer Massengesellschaft einhergehen kann. Genau aus dieser Ambivalenz wächst ihre Fragestellung zur elementaren heran: Das gleichermaßene Entgegentreten gegenüber der Sehnsucht nach Sichtbarkeit und Verschwinden.
3) Zum Hack:
Mich faszinierte diese Beschäftigung mit dem Obolus der Sichtbarkeit, die nach meiner Meinung starke Übertragung auf den momentanen Status Quo der Weltgemeinschaft in ihrem Leben mit dem Internet zulässt. Besonders interessant empfinde ich die Fragestellung, ob man mit mehr sichtbaren Bildern auch generell eine verbesserte Sichtbarkeit in der heutigen Welt erreichen kann. Dabei bot sich für meinen Hack der direkteste Weg an: Eine bewusste Konfrontation mit Hito Steyerls Anweisungen, überlagert durch meine eigenen Interpretationen. Bewerkstelligen konnte ich diese Folienhaftigkeit mit einer aufgelagerten Performance, die nur sichtbar wird auf der Arbeit der Künstlerin. Ich besteige dafür zyklisch den Ort des Sichtbarwerdens: Die für Betrachter ihrer Videoarbeit aufgestellten Sitzbank, und laufe im Kreis über diese und damit vor die Projektion der ausgestellten Arbeit. Hierbei werfe ich Fragen auf, die sich nicht nur mit der Sichtbarkeit, sondern auch mit dem Raum für das Sichtbarwerden und den Ort des Sichtbarseins beschäftigen. Dabei zeige ich auf, das zusätzlich zu der von Steyerl beobachteten Ambivalenz der Sichtbarkeit zusätzlich Faktoren auftreten, die ganz unabhängig von der subjektiven Entscheidung für oder gegen Sichtbarkeit ihre Anleitung nur durch den Raum (also ihre Arbeit), den Ort (den Standpunkt des Betrachters) und der Zeit (dem Zyklus der Sicht) finden können. Ich subjektiviere meinen Standpunkt explizit: Man sieht mein schemenhaftes Abbild als Schatten in Intervallen sichtbar werden – und wieder verschwinden. Der motorische Ablauf folgt dabei der einzigen Anleitung, die ihm zur Verfügung steht: Ein gewohntes Bild der eigenen Bewegung, zyklisch wiederholt und dennoch nichtszeigend. Die dafür erstellte Videoaufnahme beinhaltet aber nicht nur die visuellen Komponenten: So hört der Rezipient jeden Schritt, der mich zwischen den Phasen der (Un)-Sichtbarkeit begleitet und stößt damit umso mehr auf eine unauflösbare Ambivalenz zwischen dem Vermögen, sich selbst unsichtbar erscheinen zu lassen und der Lust sich abzubilden. Die Austauschbarkeit meiner körperbedingten Anwesenheit im Kontext zu ihrer Arbeit birgt dabei eine Verbildlichung, die formale Eigenschaften zwischen Pixel und Schatten aufzulösen versucht. Denn letztendlich verbleibt nur die Videokamera, um verlässlich dokumentieren zu können, was zu sehe ist bzw. was unsichtbar bleibt: So zeigt sich, dass nur im Licht die Dinge scheinbar sichtbar werden, die sonst zwar sind, aber nicht gesehen werden und fragt damit umso stärker, wodurch Sichtbarkeit hergestellt werden kann. Ein kleiner Trost fand trotzdem seinen Hinterlassenschaft: So zeichnete der Staub meine Schrittfolge (ähnlich einem Mehrpunkte-Programm) an dem Ort des Betrachtens; dem Ort des Sehens ab. Zurecht kann man dabei als ausgeklammert verstehen, dass es ein Asyl für Menschen gibt, die versuchen durch Unsichtbarkeit zu verschwinden. Ihnen stelle ich ein Fokus auf die Faktoren bereit, die nicht nur das sichtbar gewordene Subjekt entschieden werden können.
Reaktion auf: Venedigs Strassenmaler und den Biennale-Betrieb
Von Katharina Lingnau + Anna Weilert
„BAD PORTRAIT – 1 CENT‟
„Anna! – Bist du wach? – Ich hab die Idee was wir für den Hedinger machen können, auf der Biennale. – Bist du schon aufnahmefähig? – Das wäre voll kurios, wenn wir im Enzyklopädischen Palast Bad Portraits machen würden – für Geld!‟
Aktionsort der Performance „Bad Portraits‟ ist die 55. Biennalein Venedig, wobei der Enzyklopädische Palast von Massimiliano Gioni deshalb zum Aktionsort wird, da hier etwas zu Kunst wird das vorher nicht im Kunstkontext definiert worden ist. Streng museal inszeniert stehen hier naturwissenschaftliche Studien neben Kuriositäten und Outsiderkunst.
In Venedig angekommen, prägten Straßenmaler und Porträtzeichner das Stadtbild. Kein Besucher der Biennale würde wohl davon ausgehen, dass hier Kunst verkauft wird. Warum also nicht Portraits auf der schönsten und berühmtesten Kunstausstellung der Welt verkaufen? Warum nicht die kitschige Straßenmalerei in den Kontext der Kunst rücken, so wie Massimiliano Gioni Unmodernes und Unkünstlerisches zum State of the Art macht?
Wenn man schlechte Zeichnungen auf der Biennale verkauft, und das eine Performance nennt, ist das dann Kunst?
„Oh, this is a performance, right?‟
Die Scheu sich dem kunstaffinen und vermeintlich kritischen Publikum der Biennale zu stellen legte sich schnell. Neugierig und sich der Tatsache bewusst, dass es sich um Performance handeln muss, wollten viele Besucher daran teilnehmen und sich porträtieren lassen. Fragen danach wo wir studieren und welchen Hintergrund die Aktion hat wurden häufig gestellt. So kam es zu längeren Gesprächen unter anderem mit dem Künstler aus dem Chinesischen Pavillon, der sich zeichnen ließ und amüsiert die Aktion beobachtete.
„Would it be possible to make a portrait of the two of us ?‟
Neue Umgebung – andere Wirkung. Angeregt durch die Besprechung im Plenum verließen wir den “Schutzraum” der Kunstausstellung und wiederholten die Performance am Markusplatzes. So wie sich der Kontext veränderte, veränderte sich auch unsere Aktion von der Kunstperformance zur Touristenattraktion.
Nach vielen skeptischen Blicken, längerem Warten, der Frage ob es einen Haken gibt und es wirklich nur einen Cent kostet ließen sich belustigt einige Touristen porträtieren. Sofort sammelte sich eine Traube Schaulustiger die den Moment für das Urlaubsalbum festhalten wollten. Nachdem einmal gestattet, baten mehrere Teilnehmer um Gruppenporträts und posieren auch gerne mit uns, den “Künstlerinnen”. Auf die Idee, dass es eine Performance sein könnte, kommt niemand. Auch von dem Ergebnis scheinen die Meisten nicht restlos überzeugt zu sein. Zum Glück hat es nur einen Cent gekostet…
https://www.facebook.com/johannes.hedinger/videos/10151572985504215/
Reaktion auf: Wim Bothas „Composite Self-Portrait II“ (Südafrikanischer Pavillon)
Von: Stefan Heithorst
Und der Künstler sprach: „Es werde Nicht!“
Wim Bothas „Composite Self-Portrait II“ und die Rechtmäßigkeit einer Idee
„Wenn ich da gleich was zu sagen soll, guck ich es mir wohl besser nochmal an.“ Eine lange Rolltreppe trägt mich aufwärts. Sie bringt mich zurück zu einer Reihe von Werken, welche mich zuvor nicht schlecht beeindruckt haben. Eine halbe Stunde zuvor, beim ersten Blick auf „Composite Selfportrait II“ von Wim Botha war mein erster Gedanke: „Ah, eine Holzskulptur.“ Erst der Zweifel lies mich näher schauen und erkennen. Es sind Bücher.
Der Pavillon Südafrikas, welcher kuratiert von Brenton Maart unter dem Titel „ Imaginary Fact: Contemporary Soth African Art and the Archive“ präsentiert wird, beinhaltet eine ganze Reihe dieser Bücherskulpturen Wim Bothas (*1974). Durch lange Schrauben zusammengehalten sind Enzyklopädien, Bibeln, Wörterbücher, Kreuzworträtselblöcke und andere Buchtypen zu Abbildern des Menschen verarbeitet. Die Büsten entsprechen in ihren Proportionen nahezu im Maßstab 1:1 ihren humanen Vorbildern. Die Büste des „Selfportrait II“ das nun wieder auf seinem Ebenholzsockel vor mir steht, ist mit schwarzer Tusche übergossen, welche einen Teil der Bücher zu einer tiefschwarzen Einheit werden lässt. Ihre Oberfläche ähnelt hierin dem hölzernen Material des Sockels. Übrige weiße Oberfläche ist durchzogen von einer feinen Maserung, die die Buchstaben im Inneren erkennen lassen und mich der Fülle an Informationen gewahr werden lassen, die noch immer im Material verborgen ist. Nur die erhaltenen Buchrücken auf der Rückseite lassen das Wesen ihrer vormaligen Bestimmung als Wörterbücher erkennen. Vor meinem inneren Auge sehe ich einen farbigen Mann mittleren Alters an einem Stapel Büchern schnitzen. Warum bildet er sich selbst in Wörterbüchern ab? Sucht er nach dem Verhältnis zweier Sprachen? Will er uns auf die Schwierigkeiten aufmerksam machen, die das Leben in einem Land mit immerhin 11 Amtssprachen mit sich bringen? Steht das Aufeinandertreffen von schwarzer Tusche und weißem Papier in einen Bezug zur südafrikanischen Bevölkerung? Wieso stelle ich ihn mir überhaupt als Schwarzen vor? Weil Botha aus Südafrika kommt und schnitzt, oder was? Ich lasse diese Gedanken wo sie sind, um mich nicht in einer inneren Diskussion über den latenten Rassismus zu verlieren den meine Fantasiewelt da zu vertreten scheint. Ich einige mich mit mir selbst darauf dass, er wahrscheinlich schwarz oder weiß ist und mache mich auf zum Ausstellungskatalog. Vielleicht kann der mir ja weiterhelfen. Dort lese ich ziemlich am Anfang einen Satz, der mir zu denken gibt. „Eine Skulptur hat das Recht, als Idee zu existieren.“ Das halte ich zunächst für eine gewagte These, insbesondere für einen Künstler welcher der handwerklichen Ausgestaltung und der anatomischen Präzision seiner Werke so viel Bedeutung beimisst. Zudem erscheint mir das Buch als Medium und als Material für seine Skulpturen auf doppelte Weise ein Zuspruch für die Bedeutung des Stofflichen zu sein. Dennoch beruht die Wirkung Bothas Skulpturen nur zu einem Teil auf der materiellen Erscheinung von Büchern. Ein Aspekt ihrer Aussagekraft liegt auch in ihrer Wahl und Anordnung. Bücher können so als stoffliche Stellvertreter für das abstrakte Wissen herhalten, welches uns als Individuen besonders definiert und uns eine Identität gibt. Gleichzeitig sind Bücher, ähnlich den menschlichen Körpern, zu deren Abbildern sie in Bothas Werk werden, die Träger, welche Informationen zu binden vermögen um sie weitergeben zu können. Es scheint also die Wechselwirkung von dem geformten Material und den ihm innewohnenden Informationen zu sein, welche die Wirkung der Skulptur auf den Betrachter bestimmt.
Dennoch bleiben die Zeilen über die Skulptur und ihr Recht als Idee zu existieren in diesen Momenten im Zentrum meiner Gedanken. Eine Skulptur als reine Idee bestünde immerhin als Bild in meiner Vorstellungskraft – mehr oder weniger detailliert. Sowie die Person in einem Roman in meiner Imagination nach und nach Gestalt anzunehmen in der Lage ist. Die Erinnerung an Abbilder von Person die vor meinem inneren Auge entstandenen sind (beispielsweise Protagonisten meiner Lieblingsbücher) sind in ihrem Wesen gar nicht so unterschiedlich von Erinnerung an Personen, die ich als real existierend wahrgenommen habe. Als Erinnerung sind sie für mich sozusagen gleichwertig existent. Es macht für das Abbild in meiner Erinnerung keinen Unterschied ob die Skulptur die ich mal im Museum gesehen habe, in diesem Moment immer noch dort steht, kaputt im Mülleimer liegt oder sich komplett in Luft aufgelöst hat. Es stellt sich somit die Frage nach dem Vorteil bzw. die Notwendigkeit des real Existierenden. Es ist beispielsweise sicherlich ein Vorteil, dass ich mit anderen Besuchern des südafrikanischen Pavillons über Composite Self-Portrait II sprechen kann, davon ausgehend, dass sie genau das selbe gesehen haben wie ich. Egal wie präzise ich jedem anderen von der Skulpur erzählen würde, entstünde in dessen Vorstellung ein zwangsläufig von der tatsächlichen Erscheinung der Skulptur abweichendes Bild. Es entstünde in ihren Gedanken also eine andere, eine neue Skulptur.
Hier nun fängt meine Idee an. Hier nun fängt meine Skulptur an. Mit dem Schnitzmesser Sprache und dem ständig nachwachsenden Holz der Vorstellungskraft sollen neue und einmalige Figuren erzeugt werden, die dazu bestimmt sind als Ideen zu existieren.
So stolz und schön diese Metapher klingt, handelt es sich bei der folgenden Arbeit mehr um eine Plastik, denn um eine Skulptur, da nach und nach Material hinzugefügt wird.
Bei „Selbstportrait I“ handelt es sich um eine „Idee-Plastik aus Ton in drei Meta-Levels“. Sie wird in gewisser Weise in Gemeinschaftsarbeit vom Zuhörer und mir erzeugt, wobei mein Teil der Arbeit eher in der Beschaffung des ästhetisch möglichst neutralen „Rohmaterials“ sein soll, während der Zuhörer den wesentlichen und anspruchsvollen Teil der Arbeit, nämlich die Ausgestaltung des rohen Materials in Form und Farbe selbst schafft.
Also Achtung! Das Hören kann mit Anstrengung und Arbeit verbunden sein! „Meta-Level I“ beschreibt die oberflächliche „sichtbare“ Beschaffenheit der Plastik. Meta-Level II und III füllen sie nach und nach mit Inhalt, welcher ohne zu viel vorweg zu nehmen aus thematisch vernetzten Beiträgen der Wikipedia besteht.
Alle Beiträge sind vertont durch den Google-Übersetzter.
Zu den anderen Parts:
DIY Biennale Venezia – Part 2
DIY Biennale Venezia – Part 3
DIY Biennale Venezia – Part 4