Das Projekt ZURÜCK AUF LOS unter Leitung von Dr. Heidi Helmhold, Professorin für ästhetische Theorie und Praxis der Textilwissenschaft am Institut für Kunst der Humanwissenschaftlichen Fakultät, will den Nutzern und Besuchern des Gebäudes einen neuen Blick insbesondere auf die Foyerarchitektur ermöglichen. Die gemeinsam mit Studierenden erarbeitete Konzeptidee hat zudem eine Unterbrechung von Alltagsroutinen und Sehgewohnheiten zum Ziel. Auf diese Weise soll ein Nachdenken und eine Diskussion über eine zukünftige veränderte Nutzung des Fakultäts-Foyers initiiert werden, die sich stärker an den Bedürfnissen von Lehrenden und Studierenden orientiert und die Fakultät als Ort universitären Lehrens und Lernens begreift. Alle Einbauten und Geräte werden ausgelagert oder entfernt. Soziale Interaktionen – Ausrufen von Informationen, eine Milchbar, künstlerisch-performative Putzaktionen, Studierendenführungen und ein Diskussionsforum mit Architektur- und Körpertheoretikern, Nutzern und Stadtplanern begleiten das Projekt.

Architektur

Die architektonische Konzeption der Humanwissenschaftlichen Fakultät an der Universität zu Köln wurde in den Jahren 1955-1963 von dem Architekten Hans Schumacher entworfen. Schul- und Hochschularchitektur dieser Jahre wird heute mit dem Begriff der „Freiheitsmoderne“ wieder neu gelesen. Zum Einen dokumentiert sich in diesen Bauten der politische und gesellschaftliche Aufbruch der Nachkriegzeit, die auch in der Bauästhetik das Diktat der völkischen Architektur hinter sich lassen konnte.

Zum Anderen sind diese Bauten heute auch darin wieder interessant, dass Sie keiner egozentrierten Stararchitektur frönen, wie diese in den letzten Jahren zunehmend den urbanen Architekturdiskurs beherrschen. Bauten der Freiheitsmoderne choreographieren eine flache Raumhierarchie, sind fensterseitig lichtgeflutet, kontrastieren Materialien wie Ziegel, Glas und lichtreflektierende Kacheln und sind durch große Panoramafenster im Gespräch mit dem begrünten Umfeld.

Die Humanwissenschaftliche Fakultät ist in ihrem historischen Baukern diesen Merkmalen verpflichtet und wurde von der Kölner Stadtkonservatorin Kier in den 1990er Jahren unter Denkmalschutz gestellt. Die heutige Nutzerrealität macht diesen Bau jedoch zu einer wenig überzeugenden Erscheinung. Notwendige Sanierungsarbeiten wurden in den letzten Jahrzehnten nur zögerlich umgesetzt, der notorische Raummangel macht Gänge, Flure, Treppenhausgeschosse und Eingangbereiche zu vernutzten Abstellplätzen. Am Beispiel des Foyers der Humanwissenschaftlichen Fakultät bedeutet dies: Postkästen, Stellwände, Kaffee- und Colaautomaten, verstaubte Blumencontainer und Abfalleimer bestimmen das Eingangsbild für Studierende und Besucherinnen und Besucher. Mehr Infos zur Architektur der Humanwissenschaftlichen Fakultät: PDF

Konzept

Die Konzeptidee ZURÜCK AUF LOS wurde gemeinsam mit Studierenden der Humanwissenschaftlichen Fakultät erarbeitet. Dies geschah zunächst in der direkten Befragung des architektonischen Baukerns. In Führungen durch die Fakultät wurde der Ort der Lehre, die Fakultät, als Ort von studentischer Identität aufgesucht und in Parametern von Raumnutzung, Raumanmutung und Territoriumsbezug diskutiert.

Im Sommersemester 2008 setzten Studierende des Faches Kunst im Schwerpunkt Materielle Kultur die Diskussionsergebnisse in Entwurfsarbeiten um. Der Ort von Lehren und Lernen wurde in Beziehung zu Raum- und Körpertheorie gesetzt, dies sowohl auf einzelne Seminarräume wie auf die räumliche Gesamterscheinung der Fakultät bezogen. Im Modell 1:10 entstanden Handlungsfelder universitären Lernens und Lehrens, die allesamt auf eine Architektur aus Sicht seiner Nutzer abzielten. Die Ergebnisse dieser Studie sind in einer Print-Dokumentation, Entgrenzte Räume:Embodied Mind, veröffentlicht worden (PDF).
Situationen von Lehren und Lernen, so eines der Ergebnisse, unterliegen in dieser Fakultät weitestgehend dem Behälterraummodell und führen keine Reflexion darüber, dass erst durch in Bezugnahme von Raum, Mensch und sozialen Gütern, dem sogenannten Spacing (Martina Löw), ein räumlicher Identitäts- und Verantwortungsprozess stattfinden kann.

Im Wintersemester 2008/2009 wurde auf Grundlage dieses Seminarergebnisses gemeinsam mit dem studentischen Schulentwicklungsprojekt der Fakultät, School is open, Strategien für das oben skizziertes Foyerprojekt erörtert. Mit den künstlerischen Mitteln einer räumlichen Intervention werden Fragen zur Identität von Ort, zur Raumpraxis Nutzung und zur räumlichen Erstsituation „Foyer“ erarbeitet. Die Objektleere des Raumes wird durch soziale Interaktionen in eine Beziehungsdichte überführt werden. Anstelle des vorwiegend als Passagenraum genutzten Foyers treten wandernde Funktionsräume.

Um nach Ablauf des Projektes modifizierte Spacing-Prozesse im Foyer initiieren zu können, werden während des Projektes architekturpsychologische Daten erhoben (Blicklenkungsverfahren und Erhebung von Stressfaktoren bei Probanden). Diese Daten werden nach Abschluss des Projekts qualitativ ausgewertet und werden in die Entscheidungsprozesse bei der Rückmöblierung des Foyers einfließen.

Realisierung

Das Projekt ZURÜCK AUF LOS sieht eine temporäre Re-Installation des Foyers in die 1955er Jahre vor. Die Fensterfront ist befreit von Pflanzcontainern, Ziegel- und Keramikwände tragen keine Postfächer und Informationskästen, es gibt keine Plakate an den Wänden und keine Cola-Kaffeeautomaten. Über einen Zeitraum von drei Wochen (Juli 2009) und während einer Woche (September 2009) wird das Foyer leergeräumt und auf seine architektonische Grundkonzeption zurückgeführt.

Diese Maßnahme dient zum Einen der ästhetischen Re-Lektüre der Foyerarchitektur. Durch Unterbrechung von Alltagsroutinen und Sehgewohnheiten werden zudem Reflexionen und Diskussionen bezüglich einer zukünftig modifizierten Nutzung des Foyers initiiert. Soziale Interaktionen (dem Austragen von Briefpost, dem Ausrufen von Informationen und künstlerisch-performativen Putzaktionen) und Diskussionforen mit Architektur- und Körpertheoretikern, Nutzern, Stadtplanern sind für dieses Projekt konstitutiv. (Programm: PDF)

Für die Realisierung dieser Konzeptidee konnte das Museum für Architektur und Ingenierbaukunst (M:AI), Gelsenkirchen gewonnen werden. Das M:AI untersteht dem Ministerium für Bauen, NRW und bespielt in wandernden Ausstellungen historisch markante Architekturen und Bauwerke in der Region. Die Leiterin des M:AI, Frau Dr. Kleefisch-Jobst, erkennt im historischen Baukern der Fakultät eine wichtige Inkunabel der 1950er Architektur, die nicht nur erhalten, sondern in seinen Besonderheiten einer weiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden sollte. Insofern unterstützt sie mit dem M:AI das Projekt ideel und finanziell und hat zudem erfolgreich die Teilnahme an der überregionalen Architekturausstellung plan09 erwirkt. Während der plan09 werden im Foyer der Humanwissenschaftlichen Fakultät themenbezogene Diskussionsforen stattfinden.

Projektbeteiligte

Heidi Helmhold, BildungsRaumProjekt »school is open«, M:AI, nüanS, Barbara Schimmel, Arne Winkelmann, plan09

Kontakt: Daniela Hepfer (dhepfer@uni-koeln.de)