Kluge Nachrichten aus der ideologischen Antike

Der Frankfurter Suhrkamp Verlag startet das erste Programm seiner Filmedition mit Alexander Kluges filmischen Versuch zu Marx Schrift Das Kapital. 

¬ªDer Entschluß steht fest, das KAPITAL nach dem Szenarium von Karl Marx zu verfilmen¬´, notierte Sergej Eisenstein am 12. Oktober 1927. Eisenstein, der mit¬†Panzerkreuzer Potemkin¬†(1926) die Filmsprache revolutionierte, wollte Marx‚Äô Buch ¬ªkinofizieren¬´. Die Herausforderung, die von einem solchen Werk ausgeht, so glaubte Eisenstein, würde die Filmkunst von Grund auf umrücken. Ihm schwebte die Anwendung völlig neuer, von James Joyce‚Äô¬†Ulysses¬†abgeleiteter Formen vor: ¬ªfaits divers¬´, ¬ªemotionale Konvolute¬´ und Reihen ¬ªdialektischer Bilder¬´.¬†
80 Jahre später kommentiert Alexander Kluge Eisensteins monumentalen Plan. Auf drei DVDs sammelt er filmische Miniaturen zu Marx‚Äô Theorie, die uns so nah und so fern ist wie die Antike. Gespräche mit Peter Sloterdijk, Dietmar Dath, Oskar Negt, Boris Groys, Rainer Stollmann und anderen montieren ganz unterschiedliche Perspektiven auf¬†Das Kapital.¬†

Christoph Hochhäusler versteht Kluges fast zehnstündigen Film als eine „in Tonfall und Verfahren […] direkte Fortsetzung seiner Fernseharbeiten, einschließlich der gewohnten ästhetischen Kompromisse.“
Der Film sei daher durchwachsen: 

„Einerseits gelingen ihm im Dialog mit so beweglichen Köpfen wie Peter Sloterdijk, Dietmar Dath oder Rainer Stollmann Fragmente einer Neuaneignung Marx‘ aus dem Geiste der Poesie. Im beiliegenden Booklet nennt er seinen Versuch „einen Garten“, in dem wir uns „mit den fremden Gedanken von Marx“ auseinandersetzen könnten. Das trifft es ziemlich gut. Wenn Sloterdijk zum Beispiel vom Kapitalismus als einer „Umkleide“ spricht, in der das Geld die Materie in immer neue Kostüme zwinge, bin ich animiert, den Rasen zu betreten und mich am oft märchenhaften Spiel der Lesarten zu beteiligen. So wie man nach einem Tanzfilm vielleicht aus dem Kino steppt, fühlt man sich hier – ganz unakademisch übrigens – zum Denken begeistert.
Andererseits verhebt sich Kluge bei dem Versuch, die dramaturgischen und formalen Ideen Eisensteins, die Vision eines „Kugelfilms“ etwa, für seine Fernsehpraxis fruchtbar zu machen.“

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