Lehren bildet!
Unter dem Titel „Lehren bildet.¬†Das Rätsel unserer Lehranstalten“ findet vom 21. ‚Äì 23. November 2008 ein interdisziplinäres Colloquium im Warburg-Haus, Hamburg statt.¬†
Als Veranstalter zeichnen sich¬†Rainer Kokemohr,¬†Hinrich Lühmann,¬†Karl-Josef Pazzini,¬†Marianne Schuller und¬†Michael Wimmer, mit Unterstützung der ‚Assoziation für die Freudsche¬†Psychoanalyse‘ (AFP) und des¬†Zentrums für Lehrerbildung, verantwortlich.
In der Veranstaltungsankündigung heißt es in Bezug auf den noch andauernden und tiefgreifenden Umbau unserer Bildungsinstitutionen:
„Wir wollen mit der Tagung den Versuch einer kritischen Analyse der gegenwärtigen Bildungssituation in den Institutionen Schule und Universität machen. Im Zentrum der Diskussion sollen Konzeptionen der Lehre stehen, was die Frage des Lernens einschließt. ¬†
Einem allgemeinen Verständnis zufolge geht es sowohl in der Schule als auch in der Universität darum, gesichertes Wissen und Kompetenzen zu vermitteln. Die Strukturveränderungen stehen ganz im Zeichen dieser Aufgabe. Das zeichnet sich nicht zuletzt an der Konzeptualisierung der Figur des Lehrers und damit auch des Lernens ab. Wenn der Lehrer zum ‚ÄöCoach‚Äô, zum ‚ÄöModerator‚Äô, zum ‚ÄöLernhelfer‚Äô, ‚ÄöLernarrangeur‚Äô usw. wird, dann wird er im Prozess von Lehren und Lernen zu einem gleichsam apparativ-instrumentellen Faktor, der einen hohen Grad an Messbarkeit und Berechenbarkeit garantiert.
Wir wollen hingegen die Aufmerksamkeit darauf richten, was mit Begriffen diesen Typs nicht erfasst wird, was ihnen auf eine für das Denken und die Konzeption von Bildungsprozessen folgenreiche Weise entgeht. Lehren und Lernen nämlich geht gerade nicht in einem mehr oder minder apparativ geregelten Austausch von Daten auf, sondern ist auf die Entfaltung von Beziehungen zwischen Menschen, auf die Momente des Affektiven, der Wünsche und Erfahrungen angewiesen. Kurz: Lehren und Lernen im Sinne von Bildungsprozessen sind auf das angewiesen, was im Namen ‚Eros’/’pädagogischer Eros‘ angesprochen ist.“
Nicht nur weil der pädagogische Eros angesprochen ist macht die Ankündigung Lust auf die Veranstaltung. Angesichts der immer drastischeren finanziellen Einsparungsforderungen in der Hamburger Lehrerbildung und der damit unvermeidlich verbundenen¬†qualitativen Verschlechterung derselben, ist es mehr als wünschenswert, den derzeitigen bildungspolitischen Diskurs um kritische Analysen und Perspektiven zu erweitern. In diesem Sinne kommen auch im Laufe der drei Tage 16 Vortragende zu Wort.
Zur Einstimmung auf das komplexe Thema des Colloquiums noch ein Fundstück, ein paar Zeilen von vielleicht einem der rätselhaftesten und daher immer noch anregendsten Denker unter den deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Ein kleine Passage aus Martin Heideggers Vorlesungszyklus „Was heißt Denken?“, den er als Emeritus im Wintersemester 1951/52 an der Universität Freiburg hielt.
„Lernen heißt: das Tun und Lassen zu dem in die Entsprechung zu bringen, was sich jeweils an Wesenhaftem uns zuspricht. Je nach der Art dieses Wesenhaften, je nach dem Bereich, aus dem sein Zuspruch kommt, ist das Entsprechen und damit die Art des Lernens verschieden. (…)
Ob ein (…)Lehrling jedoch beim Lernen in die Entsprechung (…) gelangt oder nicht, hängt offensichtlich davon ab, daß einer da ist, der den Lehrling solches lehrt.¬†
In der Tat. Das Lehren ist noch schwieriger als das Lernen. Man weiß dies wohl; aber man bedenkt es selten. Wehalb ist das Lehren schwerer als das Lernen? Nicht deshalb, weil der Lehrer die größere Summe von Kenntnissen besitzen und sie jederzeit bereit haben muß. Das Lehren ist darum schwerer als das Lernen, weil Lehren heißt: lernen lassen. Der eigentliche Lehrer läßt so gar nichts anderes lernen als – das Lernen. Deshalb erweckt sein Tun auch oft den Eindruck, daß man bei ihm eigentlich nichts lernt, sofern man jetzt unversehens unter ,lernen‘ nur die Beschaffung nutzbarer Kenntnisse versteht. Der Lehrer ist den Lehrlingen einzig darin voraus, daß er noch weit mehr zu lernen hat als sie, nämlich: das Lernen-lassen. Der Lehrer muß es vermögen, belehrbarer zu sein als die Lehrlinge. Der Lehrer ist seiner Sache weit weniger sicher als die Lernenden der ihrigen. Darum kommt bei dem Verhältnis von Lehrer und Lernendem, wenn es ein wahres ist, niemals die Autorität des Viel-Wissers und der autoritative Einfluß des Beauftragten ins Spiel. Darum bleibt es eine hohe Sache, ein Lehrer zu werden, (…). Vermutlich liegt es an dieser hohen Sache und ihrer Höhe, daß heute, wo alles nur nach unten und von unten her, z.B. vom Geschäft aus, gemessen wird, daß heute niemand mehr Lehrer werden möchte. (…)“