Exzess der Sichtbarkeit – Red Road II
Ekkehard Knörer beschreibt Red Road als „Exzess der Sichtbarkeit“, der die persönliche Betroffenheit der professionellen Beobachterin Jacki für den Betrachter über lange Zeit im Unklaren lässt.
Knörer schreibt weiter:¬†“Die Ausgangsszenarien von Red Road bestechen in ihrer Dialektik: Die Kontrolle und der Kontrollverlust, der objektive und der traumatisierte Blick, die Distanz und die Nähe. Wie aber das Drehbuch die Verhältnisse zueinander in Beziehung setzt und auf eine letztlich¬†banale Auflösung¬†zulaufen lässt, diskreditiert eine Konstellation, die am Anfang so außerordentlich viel verspricht.“
Der Gedanke Knörers legt es nahe, die Grundkonstellation des Films auf die Situation des Filmbetrachters selbst zu übertragen. Mit Red Road könnte man der Frage nachgehen, an welchem Punkt und wie der Zuschauer des Films zwischen objektiv-betrachtender Distanz und subjektiv-betroffener Nähe oszilliert. Oder er von der einen ganz auf die andere Seite der Filmerfahrung wechselt. Wann erfährt sich der Zuschauer des Films (als scheinbarer Herr der Bilder) selbst als vom Film angeblickt, verführt und damit auch beherrscht?
Letzte Frage ist immer noch eine der rästelhaftesten und wird auch und gerade im bildungstheoretischen Diskurs u.a. im Zusammenhang mit dem Begriff der Alterität gestellt und diskutiert.¬†Alterität, als Denken eines strukturellen Anderen, problematisiert die theoretische Bestimmung eines aktiven, reflexiv-erkennenden individuellen Subjekts. Die Bezugnahmen des Subjekts zur Welt und zu sich selbst vom Anderen her zu denken, betont vielmehr die Passivität, die Sinn- und Leiblichkeit eines antwortenden Subjekts. Diese wird aber nicht in dichotome Stellung zu Konzepten der Autonomie gebracht, sondern als ineinander verschlungene, ununterscheidbare Konstellationen von Selbst- und Fremdbestimmung, von aktiver und passiver Synthesis, letztlich als ein Zwischen von Subjekt und Objekt gedacht.
Vor diesem skizzierten Hintergrund könnte vielleicht der Film, könnten Filme helfen Fragen bezüglich¬†des Einflusses von Bildern, im speziellen der audiovisuellen Filmbilder und der kulturellen Praxis Kino für die individuelle Bildung des Subjekts zu beantworten.