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Kunst & Kunsttheorie

Abstract

In meinem Forschungsprojekt gehe ich von der Beobachtung aus, dass die post-digitale Kunstproduktion seit dem Web 2.0 und der Kommerzialisierung des Internets sich affirmativ gegenüber ökonomischen Strukturen verhält. Künstler*innen schaffen gegenwärtig Werke, die auf struktureller, kommunikativer und ästhetischer Ebene als Unternehmen oder Marke angelegt sind (bsw. DIS, Timur Si-Qin, Christopher Kulendran Thomas). Die Beurteilung solcher Kunst als rein marktkritisch reicht meiner Meinung nach, zu wenig weit. Eine Analyse der Displays dieser Werke soll aufzeigen, dass diese Positionen explizit in ihrer mimetischen Form ihr Potential entfachen: Sie verhandeln die zukunftsorientierten Lebensbedingungen einer Gesellschaft der Digitalität.
Die in meinem Korpus untersuchten Kunstwerke reproduzieren ganz spezifische Verkaufsdispositive wie beispielsweise den Messestand (Simon Denny, Blockchain Visionaries, 2016), den Concept-Store (Debora Delmar, Upward Mobility, 2015) oder den Onlineshop (Andreas Ervik, SANKE, 2014). Ausgehend von dieser Beobachtung wird eine Typologie dieser zeitgenössischen Displays angestrebt, die sich anhand spezifischer ästhetischer Cues, wie dem Gebrauch bestimmter Materialien, der Lichtsituationen, dem allgemeinen Design des Interieurs resp. des virtuellen Raumes und sprachlichen Kommunikationsmittel eruieren lässt. Ein direkter Vergleich mit Beispielen aus dem Visual Merchandising von Retail Stores soll aufzeigen, wie kommerzielle Strategien des Branding in diesen Kunstwerken zur Anwendung kommen. Theorien des Third Place aus dem Marketing, des Extended Self und der Affordanz aus der Konsumenten- resp. aus der Wahrnehmungspsychologie werden zur analytischen Untersuchung der Displays herangezogen. Das Projekt unternimmt eine erstmalige wissenschaftliche Analyse zeitgenössischer Displays nach der digitalen Revolution und leistet damit einen Beitrag zum Verständnis gegenwärtiger Phänomene zeitgenössischer Kunst, die noch kaum kunsthistorisch untersucht wurden.

Info

Stefanie Marlene Wenger, M. A. (*1987) ist Doktorandin an der Graduiertenschule des Walter Benjamin Kolleg der Universität Bern. In ihrer Forschungsarbeit untersucht sie Displaystrategien zeitgenössischer Kunst im post-digitalen Kontext. Ihre kuratorischen Projekte grenzen unmittelbar an das Forschungsthema an und befassten sich mit medialer Selbstdarstellung (Your Digital Self Hates You, 2016, Stadtgalerie, Bern) künstlicher Intelligenz (IAMAI. Bots and other Humanoids, 2017, Galerie DuflonRacz, Bern) und jüngst dem Öffentlichen Raum in der Digitalität (Re/public. Öffentliche Räume in digitalen Zeiten, 2.5.-7.7.2018, Polit-Forum im Käfigturm, Bern).
Ihr Masterstudium schloss sie 2014 mit einer Arbeit über die Performativität von Kleidung als Material der Gegenwartskunst mit Prädikat ab, nachdem sie als Stipendiatin der Deutschen Studienstiftung ein Jahr an der Freien Universität Berlin studierte. Wertvolle Erfahrung im Bereich der Museums- und Ausstellungspraxis erlangte sie durch ihr Volontariat im Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich (2014-2015) und in ihrer Position als Assistentin für die Art Basel Unlimited (2013/2014). Gegenwärtig arbeitet sie als Programmkoordinatorin der Plattform videokunst.ch.