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Kunst & Kunsttheorie

Abstract

In den letzten Jahren hat das Feld der Diskriminierungs- und Inklusionsforschung massiven Zulauf erfahren und sich darüber stark ausdifferenziert. Die Bilder, die dabei aufgerufen werden, bleiben jedoch zumeist dieselben: retortenhaft abgespulte Kitsch-Phantasien aus bunten Punkten, Kreisen, Kreisen von Kindern, schwarze und weiße Hände schütteln sich, bunte Hände — oder aber: unbeschriebene Blätter, Unvorstellbarkeit, Undarstellbarkeit, Leere. 
Die Theorie der trilemmatischen Inklusion wurde verfasst, um verschiedene, sich teilweise widersprechende Definitionen, Zugänge, aber eben auch ‚Visionen‘ von Diskriminierungskritik und Inklusion zu kartographieren. Im Zuge der Arbeit an diesem sozialwissenschaftlichen Projekt habe ich aus Versehen eine Sammlung der dazugehörigen icons/Bilder/Imaginationen aus Info-Broschüren, Websites von Schulen und Ministerien, Aufklärungskampagnen etc. zusammengetragen. Die bildlichen Untermalungen in diesen Dokumenten sind an Phantasielosigkeit zumeist schwer zu überbieten. Ohne Phantasie wird ‚Inklusion‘ jedoch nicht gelingen. Insofern berührt die Frage der ‚Inklusion’ von der Sache her gedacht die ästhetische Praxis. Eine tatsächliche Unterbrechung diskriminierender Ordnungen vollzieht sich in einer Überschreitung des Inklusions-Kitsch. Zugleich ist es überaus nützlich, diese Klischee-Bilder und Standard-Figurationen zu kennen, um eine Ausgangslage zum Wiedererkennen, Einordnen und somit zum informierten Verschieben und Experimentieren zu haben. Während die Karten-Theorie demnach auf wissenschaftlicher Ebene einer Orientierung in dem komplexen Feld der Diskriminierungskritik und Inklusion dient, wird auf ästhetischer Ebene dazu eingeladen, etwas anderes zu zeichnen.

Info

Dr. phil. Mai-Anh Boger ist von Haus aus (Behinderten-)Pädagogin. Ihre Forschungsprojekte fokussieren Inklusion, Diskriminierung und Diskriminierungskritik auf Basis von Philosophien der Differenz/Alterität und insbesondere aus psychoanalytischer Perspektive.