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Kunst & Kunsttheorie

Abstract

Ende 2013 entschied ich mich ausgehend von meinen Praxiserfahrungen als Kulturagentin für kreative Schulen dazu mit einer Forschung zu beginnen. Ein starkes Unbehagen hat den Ausschlag dafür gegeben. Ich möchte eine Überzeugung mit Ihnen teilen, mit der ich 2011 meine Tätigkeit als Kulturagentin im Modellprogramm „Kulturagenten für kreative Schulen“ begonnen habe: nämlich die Überzeugung, dass nur subversive Sichtweisen und Praxen – die ich in den Künsten verorte – das Potenzial haben, solche Räume zu schaffen, mit denen bestehende kapitalistische, Ungleichheit produzierende und hegemoniale Strukturen, die ich beispielweise in Schulen wahrnehme, in Bewegung versetzt, hinterfragt und verändert werden.

Allerdings kollidierte diese Überzeugung zwischen 2011 und 2013 zunehmend mit den Praxiserfahrungen im Modellprogramm und ein tiefgreifendes Unbehagen gab den Ausschlag dafür, darüber nachzudenken, was sich hinter dem Begriff der „kulturellen Teilhabe“ verbirgt, von dem das Programm angeleitet wird. Die Befürchtung nahm zu, dass die Künste funktionalisiert werden und ich als Kulturagentin dazu beitrage, die Vereinnahmung des subversiven Potentials von Kunst zu reproduzieren, anstatt die (selbst-)reflexive und kritische Haltung sowie das intervenierende Potenzial, die in den Künsten stecken, zu aktiveren.

Wie kann dieses Potenzial, das ich in einer künstlerisch-edukativen Praxis vermute, für Bildungsprozesse aktiviert werden? Oder neutralisiert die Kulturagentin mithilfe künstlerisch-edukativer Prozesse die Widersprüche, die sich aus der kapitalistischen Gesellschaftsordnung darstellen? Die Fragen sind mit dem dringenden Wunsch verbunden, der Gewalt, die den Widersprüchen eingeschrieben ist und die sich in der Praxis reproduzieren, Handlungsweisen entgegenzusetzen.

Info

Dr.in des. Silke Ballath (sie/ihr, weiss, abled body, europäisch sozialisiert) begleitet in unterschiedlichen Kontexten künstlerische Schulentwicklungsprozesse (Kulturagenten für kreative Schulen, 2011–2021) und entwickelt künstlerisch-edukative Projekte mit unterschiedlichen Akteur*innen der Stadtgesellschaft. Als Vertretung der Professur Theorie künstlerischen Gestaltens an der TU Dresden erforscht sie die interprofessionelle Zusammenarbeit von Pädagog*innen, eine diskriminierungs- und rassismuskritische Bildungsarbeit sowie kollaborative und erfahrungsbasierte Prozesse der Wissensproduktion in der pädagogischen und kunstvermittelnden Praxis. Ihre Dissertation hat sie an der HBK Braunschweig zu dem Titel „Kontextspezifische (Aushandlungs-)Räume pluraler Beziehungsweisen“ verfasst und die Zusammenarbeit von Lehrpersonen und Künstler*innen erforscht. Aktuelle Forschungsprojekte sind situierungzwischen.net (seit 2020) und „Künstlerisch-edukative Prozesse der Konvivialität: Zusammenleben unterschiedlicher Lebensformen im Kontext (Hoch-)Schule“ (seit 2023).