Hier finden Sie Infos zu den Referent*innen, Statements der Gäste zum Thema Posthumanismus und Bildung (in Kürze) sowie Hinweise zum Konzept der Diskurswerkstätten.
Referent*innen
Stefan Herbrechter (Universität Heidelberg / Coventry University)
Dr. Stefan Herbrechter ist Privatdozent am Anglistischen Seminar der Universität Heidelberg und Research Fellow am Media Department der Coventry University. In den letzten zwei Jahrzehnten hat er sich in seiner Forschung und seinen Publikationen mit der Entstehung, Geschichte und Weiterentwicklung posthumanistischer Theorien beschäftigt. Er ist einer der Hauptvertreter des kritischen Posthumanismus, welcher sich aus einer Dekonstruktion des Humanismus speist und eine postanthropozentrische Ethik, Ökologie und Politik verfolgt. Seine wichtigsten Publikationen in diesem Zusammenhang sind, neben einer Vielzahl von Aufsätzen und Beiträgen: Posthumanism: A Critical Analysis (Bloomsbury, 2013; dt. Posthumanismus – Eine kritische Einführung, WBG, 2009), Cy-Borges: Memories of the Posthuman in the Work of Jorge Luis Borges (Bucknell University Press, 2009), Posthumanist Subjectivities (Subjectivity5.3 (2012)), Posthumanist Shakespeares (Palgrave, 2012) und European Posthumanism (Routledge, 2016). Er ist Leiter des »Critical Posthumanism Netzwerkes« und Herausgeber der Online »Genealogy of the Posthuman«. Weitere Informationen zu seinen Veröffentlichungen und gegenwärtigen Projekten finden Sie auf stefanherbrechter.com.
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Oliver Krüger (Universität Freiburg (CH))
Prof. Dr. Oliver Krüger studierte Soziologie, Religionswissenschaft und Klassische Archäologie an der Universtät Bonn. Er wurde dort 2003 mit einer religionswissenschaftlichen Studie über die Unsterblichkeitsutopien des technologischen Posthumanismus promoviert. Nach Forschungen an den Universitäten Heidelberg und Princeton wurde er 2007 an den Lehrstuhl für Religionswissenschaft der Universität Freiburg (Schweiz) berufen. Schwerpunktmäßig befasst er sich mit Fragen der Religionssoziologie und -theorie, dem Post- und Transhumanismus sowie dem Themenfeld von Religion und Medien. Wichtigste Publikationen: Die mediale Religion. Probleme und Perspektiven der religionswissenschaftlichen und wissenssoziologischen Medienforschung. Bielefeld 2012.; Virtualität und Unsterblichkeit. Gott, Evolution und die Singularität im Post- und Transhumanismus. Freiburg i.Br., 2. ergänzte und überarb. Auflage 2019.
1. Was verstehen Sie unter dem Begriff “Posthumanismus”?
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Die vergangenen 20 Jahre haben aufgezeigt, dass wir klar zwischen dem technologischen und dem kritischen Posthumanismus unterscheiden müssen. Die Ziele, Argumentationen und Zukuntsentwürfe stehen sich in den meisten Fällen diametral gegenüber. Wird auf der einen Seite ein übermenschliches Ideal der technologischen Vervollkommnung progagiert, das teils auf dem Geniekult des 19. Jahrhunderts basiert, so werden andererseits im kritischen Posthumanismus genau diese andro- und eurozentrischen Idealkonzeptionen dekonstruiert. Unsere Gesellschaft bewegt sich offenbar in der Spannung zwischen diesen beiden Polen.
2. Was sind Ihres Erachtens die drängendsten Fragen bezüglich einer veränderten Vorstellung des Körpers oder der Selbstbestimmung?
Für mich ist stets die Frage, welche Normative hinter den vermeintlichen Zielmarken stehen. Warum und auf welche Weise wollen wir uns verändern? Die heutigen, stark mediatisierten „Körperwelten“ zeichnen sich durch eine tiefgreifende Vermessung und Ökonomisierung der Selbstoptimierung aus. Diese gilt es offenzulegen und zu reflektieren.
3. Was sollte Ihres Erachtens auf der Tagung besprochen werden?
Ich möchte gerne von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wissen, wie sie das Verhältnis von ethischen und technologischen „Idealbildern“ bewerten? Sind wir in einer Zeit in der die Moral von der Technologie abgelöst wird? Welche Werte sind in der Pädagogik noch vermittelbar?
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Estrid Sørensen (Ruhr-Universität Bochum)
With a background in Psychology from the University of Copenhagen, Estrid Sørensen has focussed her academic life on studying how things, technologies and other objects engage in everyday lives. She is the author of The Materiality of Learning: Technology and Knowledge in Educational Practice (Cambridge, 2009) which is based on micro-analytic studies in a primary school context in Denmark. Inspired by Science and Technology Studies and post-humanist approaches she has studied objects in educational assessment exercises, computer game activities, in psychological knowledge practices, and in re-naturation processes. She is a former Alexander von Humboldt awardee and holds currently a Professorship in Cultural Psychology and Anthropology of Knowledge at the department of Social Science at Ruhr-University in Bochum.
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Olaf Sanders (Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg)
Dr. Olaf Sanders ist Professor für Erziehungswissenschaft, insbesondere Bildungs- und Erziehungstheorien sowie philosophische Grundlagen an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Theorie und Philosophie der Bildung, populärer Kultur und der Medien, vor allem des Films und von Fernsehserien; kritische Erziehungswissenschaft im Kontext von Globalisierung, Anthropozän, Posthumanismus und Big Data. Aktuelle Veröffentlichungen (Auswahl): Nachtclub. In: Daniel Burghardt und Jörg Zirfas (Hg.): Pädagogische Heterotopien. Von A bis Z. Wiesbaden (Springer VS) 2019, S. 176–190; Postdeleuzianischer Marxismus, Bildung in Ritornellen und die Angst vor dem Revolutionär-Werden. Ein Versuch über einen möglichen Neueinsatz kritischer Erziehungswissenschaft in merkwürdigen Zeiten. In: Carsten Bünger, Olaf Sanders und Sabrina Schenk (Hg.): Bildung und Politik nach dem Spätkapitalismus. Hamburg (Argument) 2018, S. 212–235; Wie assoziiert die US-Fernsehserie »Westworld«? In: Andrea Sabisch und Manuel Zahn (Hg.): Visuelle Assoziationen. Bildkonstellationen und Denkbewegungen in Kunst, Philosophie und Wissenschaft. Hamburg (Textem) 2018, S. 368–384; Dolores und Maeve – eine erste Annäherung an die Bildung von Maschinen zu besseren Übermenschen. In: Brigitte Georgi-Findlay, Katja Kanzler (Hg.): Mensch, Maschine, Maschinenmenschen. Multidisziplinäre Perspektiven auf die Fernsehserie Westworld. Wiesbaden (Springer VS) 2018, S. 25–39; Und wenn der, die, das Andere eine Maschine ist? Eine Bruchstückfolge. In: Sarah Vock und Robert Wartmann (Hg.): Ver-antwortung in Anschluss an poststrukturalistische Einschnitte. Paderborn (Schöningh) 2017, S. 223–238.
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Sabrina Schenk (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Dr. Sabrina Schenk ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Geschichte und Theorien der Erziehung und Bildung am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Grundlagenprobleme der historisch-systematischen Pädagogik und der Erziehungs- und Bildungsphilosophie; Verhältnis von Theorie und Empirie; Empirie des Politischen am Gegenstand von Sozialen und Protestbewegungen sowie politischer Aktionskunst.
Ausgewählte Veröffentlichungen: Schenk, Sabrina (2019): »Das ›Wir‹ der Proteste. Zum Verhältnis von Identität und Differenz in einer poststrukturalistischen Empirie«, in: Schäfer, Alfred/Thompson, Christiane (Hg.): Gemeinschaft, Paderborn u.a.: Schöningh, 149–171. Schenk, Sabrina/Karcher, Martin (2018) (Hg.): Überschreitungslogiken und die Grenzen des Humanen: Neuroenhancement – Kybernetik – Transhumanismus. Wittenberger Gespräche Band 5, Berlin: epubli. Schenk, Sabrina (2017): Praktische Pädagogik als Paradigma. Eine systematische Werklektüre der Schriften Günther Bucks, Paderborn: Schöningh.
1. Was verstehen Sie unter dem Begriff “Posthumanismus”?
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Systematisch einleuchtend und klar finde ich persönlich, einen kritischen Posthumanismus von einem technologischen Transhumanismus abzugrenzen, auch wenn sich durchaus heterogene Ansätze unter beiden Labels versammeln lassen. Während erstere Ansätze für meine Begriffe versuchen, hinter das historisch gewachsene Verständnis „des Menschen“ zurückzufragen und dessen Stellung im Kosmos (nicht-)lebendiger Dinge auf diese Weise neu zu bestimmen, scheinen letztere Ansätze sich vor allem auf die technologische Optimierung bzw. Überwindung des Menschen als humanoider Lebensform zu konzentrieren.
2. Was sind Ihres Erachtens die drängendsten Fragen bezüglich einer veränderten Vorstellung des Körpers oder der Selbstbestimmung??
Die Herausforderung insbesondere des posthumanistischen Denkens scheint mir darin zu liegen, nicht nur neue Vorstellungen althergebrachter Begriffe und Unterscheidungen zu entwickeln, sondern solche Begriffe und Unterscheidungen selbst neu zu finden und andere Fragen stellen zu lernen. Es wird dabei vermutlich vor allem darauf ankommen, sehr viel radikaler auf relationale Figuren umzustellen, die keine (anthropozentrische) Mitte bzw. kein (vernunftbasiertes) Zentrum mehr kennen, sondern von einem Netzwerkgedanken her entwickelt werden. Damit verschiebt sich also der Rahmen, von dem her die Medialität des Menschen und seine Selbstbeschreibungen bestimmt werden.
3. Was sollte Ihres Erachtens auf der Tagung besprochen werden?
Wenn die Relevanz des Posthumanismus für die Medienbildung vor allem darin liegt, den Rahmen des Nachdenkens insbesondere über Fragen des Subjektbezugs zu verschieben, dann hat hier vermutlich niemand so schnell eine Antwort parat. Insofern geht es mir eher um den Stil der Auseinandersetzungen: Im öffentlichen Diskurs und teils auch in der wissenschaftlichen Literatur tauchen zum Beispiel häufig klare Positionierungen auf, die bestimmte Gesellschaftsvisionen optimistisch befürworten oder pessimistisch abwehren, oder dazwischen schwanken. Ich denke, dass es uns helfen wird, den normativen Implikationen auf die Spur zu kommen, die unsere Positionen tragen, um eine analytische Balance zu gewinnen. Sonst laufen wir Gefahr, uns entweder einem Begehren oder einer Angst auszuliefern, die uns nicht helfen, unsere Gegenwart zu verstehen und zu gestalten.
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Susanne Völker (Universität zu Köln)
Susanne Völker ist seit 2011 Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt qualitative Methoden und Geschlechterforschung an der Universität zu Köln und wissenschaftliche Leiterin der zentralen Einrichtung ’Gender Studies in Köln‘ (GeStiK). Sie hat 2002 an der Humboldt Universität zu Berlin zum Thema „Hybride Geschlechterpraktiken. Erwerbsorientierungen und Lebensarrangements von Frauen im ostdeutschen Transformationsprozess“ promoviert und an der Universität Potsdam 2010 zum ‚Prekarisierung und Geschlechterverhältnissen’ habilitiert. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Feministische und Queer Theorie, Theorien und Methodologien des Neuen Materialismus, Arbeits- Bildungs- und Ungleichheitssoziologie, Transformations- und Prekarisierungsforschung und Praxeologische Soziologie.
Ausgewählte Veröffentlichungen: Gender- und Queer-theoretische Perspektiven. In: Günter Gödde, Jörg Zirfas (Hg.) Kritische Lebenskunst. Analysen – Orientierunge – Strategien. Stuttgart / Weimer: J.B. Metzler, 97-104; ‘Cutting together/apart’– Impulses from Karen Barad’s feminist materialism for a Relational Sociology. In: Ulrike Kissmaan, Joost van Loon (Hg.): Discussing New Materialism: Methodological Implications for the Study of Materialities. Wiesbaden: VS Springer, 87-106; herausgegeben gemeinsam mit Corinna Bath, Hanna Meissner, Stephan Trinkaus (2017): Verantwortung und Un/Verfügbarkeit. Impulse und Zugänge eines (neo)materialistischen Feminismus. Forum Frauen- und Geschlechterforschung Band 48, Münster: Westfälisches Dampfboot sowie ebenfalls herausgegeben mit Corinna Bath, Hanna Meissner, Stephan Trinkaus (2013): Geschlechter Interferenzen. Verletzbarkeit, Handlungsfähigkeit und Wissen. Berlin / Münster / Wien / Zürich / London: Lit-Verlag.
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Zum Konzept der Diskurswerkstätten
In den parallel stattfindenden Diskurswerkstätten diskutieren die Teilnehmenden in kleiner Runde ausgewählte Fragestellungen. Jede Diskurswerkstatt startet mit kurzen Impuls der Chairs, der sich auf die im Vorfeld gesammelten Thesen und/oder auf die vorbereiteten Texte aus dem Reader bezieht. Ein/e Diskutant*in bezieht zu diesem Impuls Stellung. Die Teilnehmenden sollen anschließend in unterschiedlichen Formen des Austauschs die Thematik vertiefen, selbst Stellung zu den aufgeworfenen Problemen beziehen, Themen abwägen, kritisch hinterfragen usw.. Dieser Prozess wird durch eine*n Moderator*in begleitet.
Die zentralen Punkte der Auseinandersetzung mit der jeweils behandelten Thematik werden durch die Teilnehmenden der Diskurswerkstätten als vorläufige Ergebnisse bzw. Stand der Diskussion in Form von Memos dokumentiert und im Laufe des Symposiums in die Plenen eingebracht.