C’est á l’amour comme á la guerre. In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. (Martin Kloepfer)
Retten wir den geliebten Menschen, wenn wir hundert dafür opfern müssen? Und wie könnten wir ihn danach noch lieben? Liebe setzt die Paradigmen der Gleichbehandlung aller außer Kraft und widerspricht daher per se unseren moralischen Kriterien, der Vorstellung von Gerechtigkeit. Trotzdem hat sie immer noch so einen verdammt guten Ruf, auch als Verkaufsargument „Got loved for my shoes K-Swiss“. Hierfür starben hundert Näherinnen in Bangladesch. Aber „I would do anything for love“. Liebe ist grundsätzlich entschuldigt, „Scheißegal, komm lass uns lieben“, und soll uns auch noch trösten, wenn sonst nichts klappt. Um es klar zu sagen. Liebe ist schön, erzeugt aber auch Leiden, nicht zuletzt bei den anderen. Wie kann man damit leben?
Mit dieser gedanklichen Fassade wurden im Workshop ein theatrales Konzert entwickelt. Ohne zu lügen. Zentrales Mittel war die Bereitschaft, seine moralischen und sonstigen Unzulänglichkeiten auszustellen, verbunden mit der Chance, damit nicht allein zu bleiben und Schönheit im Leiden zu finden. So wurde versucht, dem vermutlichen Sinn von Theater ein Stück näher zu kommen: Den Fehler zu zeigen und dabei gewinnen.
Eindrücke, Gedanken und weiterführende Arbeiten der workshopteilnehmer*innen:
Zerfallende Liebe, Noch nicht Liebe und Liebe die vielleicht wiederkommen kann von Milena Klien
1: Zerfallende-Liebe
Wie Harz auf Rinde
Ein Gesicht fällt in zwei Hälften
Am Kinn klebt noch ein Stück
Den Fetzen abgezogen und gekostet
Knirschend mahlen Zähne Staub
Ein Gesicht fällt in zwei Hälften
Auf der Schulter liegt ein Aug
Auch von da kann ich dich sehen
Heimlich fliehst du schon
Ein Gesicht fällt in zwei Hälften
Darunter tropft es heiß
Meine Rinde bellt und keucht
Wachsen reißt die Glieder lang
Ein Gesicht fällt in zwei Hälften
Stirn gebrochen, Wimpern gerupft
Ich wollte deine Zunge fragen
Wer das ist, der auf ihr wohnt
2: Noch-nicht-Liebe
Im Café
Die Wahrheit im Blick
ertrinkt. In Himbeeren und Bananen
liegt sie jetzt. Sicher
windet sich das Seidentuch. Aus Zweifel
küsst du meinen Hals entlang. Mit Worten
die triefen. Aus den Enden
deiner Finger brennt es. Aber kalt
wird es langsam, oder?, fragst du. Mich
siehst du nicht. An
deinem Blick die Wahrheit
ertrinkt.
3: Verlorene-Liebe-die-vielleicht-wieder-kommen-kann
Bald
Leg das Ohr auf deinen Teppich
Ich flüster’ dir daraus
Und wenn du schläfst, dann lieg ich neben dir
Ich mal dir Wege ins Gesicht, die dein Blick auf mir stets ging.
Trink den Tee aus neuen Tassen
Sie schmecken trotzdem noch nach mir
Und wenn du seufzt, dann steh ich neben dir
Ich spül dir deine Hände so, wie du bei mir das Denken wäscht.
Lehn den Kopf an deine Wand
Ich schau dich aus den Rissen an
Und wenn du spuckst, dann sitz ich neben dir
Ich schweig dir Löcher, so tief wie deine Worte graben.
Dann öffne bald die Tür
Ich knurre im Scharnier
Und wenn du wächst, bist du allein –
Ich warte in den Kopfsteinpflasterrillen.
Ein Song von Jannik Schulz