WORKSHOP 1 | Algorithmisierung der Gesellschaft
Die Digitalisierung gilt als der Megatrend der Gegenwart. Viele Praktiken und technische Anwendungen unseres Alltags sind ohne die jüngsten technischen Entwicklungen rund um Big Data, Data Mining und Machine Learning nicht mehr vorstellbar. Auch die Politik hat sich das Stichwort Digitalisierung groß auf die Fahnen geschrieben. Kaum ein Ressort, dass noch keine Digitalagenda verkündet hat. Konstitutiv für die Digitalisierung sind dabei Algorithmen; ohne sie wäre es nicht möglich, die Masse an Daten sinnvoll auszuwerten und daraus Wissen zu extrahieren, das sinnvoll in soziale Praktiken übersetzbar ist. Algorithmen sind dabei keineswegs rein technische, per se objektive oder neutrale Instrumente, sondern stets von ihren Entwickler*innen und sonstigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Diese gesellschaftliche Bedingtheit von Algorithmen macht ihre Wirkmächtigkeit umso analysewürdiger: Algorithmen üben erhebliche Macht über Individuen aus, da sie personenbezogene Entscheidungen präformieren und zahlreiche Vorselektionen durchführen, wie z. B. in Bezug auf Trefferlisten auf Online-Handelsplattformen oder Nachrichtenfeeds auf Social Media-Seiten. Was bedeutet vor diesem Hintergrund die verstärkte Nutzung von digitalen Medien, die immer dominantere Stellung von algorithmisch-datengetriebenen Entscheidungsverfahren für das gesellschaftliche Zusammenleben? Welche neuen (oder alten?) Praktiken, Wissensprozesse und Ordnungseffekte sind damit verbunden? Welche Implikationen hat die Algorithmisierung der Gesellschaft für das Verhältnis von Mensch und Maschine sowie deren Analyse? Und schließlich: was bedeutet die Digitalisierung und die zunehmende datafizierte Gesellschaft für die Sozialwissenschaften selbst? Wie haben sich theoretische Ansätze und methodische Strategien zu verändern, um auch die umfassend digitalisierte Gesellschaft adäquat analysieren zu können? Diese und weitere Fragen werden wir im Workshop ‚Algorithmisierung der Gesellschaft‘ forschungsnah diskutieren.
Der Workshop wird durchgeführt von Dr. Simon Egbert.
Geöffnet für die Intermedia-Module SM1, SM5 Schwerpunktseminar (BA) und BM1 (MA).
WORKSHOP 2 | Retracing Algorithmic Agency. Ethnographische Spurensuche in sozio-medialen Kollektiven
Digitale Medien sind als elementare Bestandteile unserer Alltagspraxis in verschiedenster Weise an der Hervorbringung sozialer Wirklichkeit beteiligt. Ihre ‚Wirkmacht‘ entfalten sie dabei auf unterschiedlicher Ebene, so ist etwa das – für uns zumeist selbstverständliche – Zusammenwirken von Hard- und Software zu nennen, aber auch die Verwobenheit mit sozialen Praktiken, ohne die insbesondere soziale Medien nur statische Gebilde wären. Algorithmische Wirkmacht, die etwa im Sinne des Gatekeeping (Un-)Sichtbarkeit erzeugt und als vorgeschaltetes Ordnungssystem maßgeblich daran beteiligt ist, welchen Ausschnitt der Welt wir etwa im Zuge der Nutzung von Suchmaschinen wahrnehmen, wird dabei meist nur indirekt erfahren. Der alltägliche Umgang mit digitalen Medien ist weitgehend zur Selbstverständlichkeit geworden und hat sich in den unterschiedlichsten Lebensbereichen etabliert. Dementsprechend ist ein breites Spektrum möglicher sozio-medialer Konstellationen vorzufinden, in dem so unterschiedliche Vorgänge wie algorithmisierter Entscheidungsfindung, automatisierte Prozesse aber auch widerständige und subversive Praktiken (hacking, modding) aufeinander treffen. Mit Blick auf diese Zusammenhänge stellt sich die Frage, wie wir diese komplexen Handlungsverkettungen erkennen und beschreiben können. Im Workshop werden wir Möglichkeiten ausloten, algorithmisch geprägte Prozesse zu untersuchen und Wechselwirkungen in sozio-medialen Gefügen genauer in den Blick zu nehmen. Hierzu befassen wir uns mit den Möglichkeiten und Grenzen ethnographischer Forschung an konkreten Beispielen aktueller Medienkultur. Fragen, denen wir im Workshop nachgehen sind unter anderem: Wie können wir das Zusammenwirken von Menschen und Medien (neu) denken und beschreiben? Welche Formen kann algorithmische ‚Handlungsmacht‘ annehmen? Welche Konsequenzen ergeben sich für die Forschung aber auch für die Gestaltung von sozialen bzw. pädagogischen Settings?
Der Workshop wird durchgeführt von Jun.-Prof. Dr. Patrick Bettinger.
Geöffnet für die Intermedia-Module SM2, SM5 Schwerpunktmodul (BA) und BM1 (MA).
WORKSHOP 3 | Algorithmusgeleitetes Musikstreaming am Beispiel von Spotify
Musikstreamingdienste wie Spotify greifen vornehmlich auf algorithmische und semi-algorithmische Empfehlungssysteme zurück, die immer größeren Einfluss auf die Rezeption und Produktion von Musik ausüben. Im Zentrum stehen Daten, die von Spotify zur Verfügung gestellt werden und für eigene Algorithmen und Analysen genutzt werden können. Die Teilnehmer*innen des Workshops sollen mit Schritt-für-Schritt Anleitungen selbst einen Algorithmus schreiben, eine Musikanalyse durchführen und schließlich die Ergebnisse vergleichend gegenüberstellen. Diskutiert werden zudem strukturelle Veränderungen von Popsongs – wie etwa der Reduktion der Länge, der Verlagerung des Refrains an den Anfang oder aber die besondere Ereignisdichte innerhalb der ersten 30 Sekunden eines Songs – sowie sich wandelnde Rezeptionsgewohnheiten.
Der Workshop wird durchgeführt von Jun-Prof. Dr. Peter Moormann und Dr. Nicolas Ruth.
Geöffnet für die Intermedia-Module AM2, SM1, SM4, SM5 Schwerpunktseminar (BA) und BM3 (MA).
WORKSHOP 4 | Performing (the) Digital. Ambivalenzen posthumaner Ko-Operationen in digitalen Kulturen
Digitale Kulturen zeichnen sich unter anderem durch Ko-Operationen zwischen menschlichen Agierenden und technischen Dingen wie smarte Geräte oder Programme und Algorithmen aus. Mit diesen Ko-Operationen wird die bis dato tradierte, autonome und intentionale menschliche Handlungsfähigkeit unterlaufen und menschliche Agierende werden in angeblich gleichberechtigte Handlungs-Ensembles verwickelt. Es entsteht ein „Performing (the) Digital“, in dem zum einen technische Dinge menschliche Agierende performen, und umgekehrt, und zum anderen gemeinsame Performances mit verteilter Handlungsmacht stattfinden. Im Workshop werden exemplarisch drei Settings techno-humaner Performances vorgestellt und analysiert: (1) Theater und Performance mit Technologie, (2) die verwirrende Welt von Gesichtsfiltern, Augmented-Reality-Umgebungen und virtuellen Influencern in sozialen Medien, (3) Beispiele für „Biased Programming“ (vgl. Filterblasen). Zu diesen Settings sollen dichte Teaser für hyper-affirmative Lecture-Performances erstellt werden, die auf einem „Markt für Performing the Digital“ die Vorzüge techno-humaner Ko-Operativität anpreisen. Ziel ist es dabei, die Ambivalenz digitaler Performativität auszuloten, um sie als subversive Strategie im kritischen Umgang mit digitalen Kulturen fruchtbar zu machen. Denn zum einen gilt es, neue Beschreibungen für „Mensch“ und „Technologie“ und deren Beziehungsweisen zu entwickeln, die der nunmehr posthumanen Konstitution gerecht werden. Zugleich ist zum anderen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die techno-humane Ko-Operativität immer auch zu einer technokratischen, unterdessen freiwillig unternommenen Bindung an die technologischen Umwelten digitaler Kulturen führt.
Der Workshop wird durchgeführt von Martina Leeker.
Geöffnet für die Intermedia-Module AM2, SM1, SM3, SM5 Schwerpunktseminar (BA) und BM4 (MA).