Es ist die Beschaffenheit unseres Körpers, die uns intelligent macht (Fingerhut/Hufendiek/Wild 2017: 9).
Die aktuelle, im deutschsprachigen Raum noch verhältnismäßig wenig bekannte bzw. geführte Debatte zum Embodiment ist eine transdisziplinäre Strömung, die sich vorrangig durch jüngere Erkenntnisse aus den Kognitionswissenschaften [1], der Robotik und der Künstlichen- Intelligenz (KI)-Forschung sowie der Evolutionsbiologie geformt hat, ihre Argumentation aber auch auf phänomenologischen und pragmatistischen Theorien des 20. Jahrhunderts gründet.
Die Grundannahme der Verkörperungstheorien ist, „dass auch mentale Fähigkeiten wie das begriffliche Denken und das logische Schließen viel stärker durch körperliche Fähigkeiten und die Interaktion mit der Umwelt mitgeprägt werden, als […] zumeist angenommen“ (Fingerhut et al. 2017: 16). Auf diese Weise wird ein für unser Wissenschafts- und Weltverständnis ganz elementarer metaphysischer Dualismus demontiert: Die cartesianische Zweiteilung zwischen einem materiellen, weltgebundenen Körper und einem immateriellen, denkenden Geist. [2]
Bei all ihrer Heterogenität teilen die Verkörperungstheorien diese Auffassung: Sie begreifen uns als körperliche, in die Umwelt eingebettete Wesen, deren Erkenntnisvermögen und intelligente Fähigkeiten von dieser Einbettung und Verkörperung abhängen (vgl. Jung 2012: 73). Mit ihrem Modell einer Kopplung [3] von Körper, Welt und Geist verlassen die Vertreter*innen des Verkörperungsansatzes den klassischen ,cartesianischen‘ Denkrahmen der Kognitionswissenschaft und Philosophie (des Geistes) – dem „eine Körpervergessenheit und teilweise sogar Körperverachtung anhaftet, die es zu korrigieren gilt“ (Fingerhut et al. 2017: 18) – wodurch nicht zuletzt grundlegende anthropologische Fragen und Überlegungen zu menschlicher im Unterschied zu ,künstlicher‘ (maschineller) Intelligenz neu verhandelt werden.
Innerhalb der Philosophie des Geistes gibt es unterschiedliche, sich teils überschneidende, teils auch divergierende Theorien zur Verkörperung des Geistes, die sich als vier „E‘s“, oder auch als das „4 E-Cognition“-Paradigma (vgl. Breyer 2017: 40), beschreiben lassen und als solche in die gegenwärtige Debatte etabliert haben:
Fazit
Der Verkörperungsansatz stellt eine Strömung von Theorien in der Philosophie des Geistes mit unmittelbarem Bezug zu den Kognitionswissenschaften dar, die sich in teils unterschiedlicher aber verwandter Weise gegen klassische philosophische sowie kognitionswissenschaftliche Modelle richtet. Diese sind u.a.:
- Der Substanzdualismus von René Descartes (res extensa – res cogitans), bzw. die ontologische Trennung von Körper-Objekt und Geist-Subjekt
- Die anthropologische Unterscheidung einer physiologischen vs. pragmatischen Anthropologie
- Das kognitionswissenschaftliche „Sandwich“-Modell des Geistes: Demnach ist der Geist eine vertikal organisierte Instanz, die sich aus drei disjunkten Systemen zusammensetzt: Input-Systeme, die Informationen über die Sinne aufnehmen (wahrnehmen); kognitive Systeme, die diese Informationen verrechnen (denken) und Output-Systeme, die motorische Aktivitäten ausführen (handeln) (vgl. Prinz 2017: 479). Wahrnehmen und Handeln stellen in diesem Modell niedere Prozesse dar, die getrennt voneinander ablaufen, verbunden über die Denkleistung der höheren kognitiven Systeme, ,dem Computer‘. Kurz: Der Geist ist ein Sandwich und Kognition ist sein Belag (vgl. Hurley 2017: 379). Und dieser Belag denkt klassisch, wie Susan Hurley noch hinzufügt, d.h. über festgelegte Symbole und kombinierbare syntaktische Strukturen. Intelligente Fähigkeiten und Bewusstsein könnten, diesem Modell folgend, auch von einem „Gehirn im Tank“ erzeugt werden, vorausgesetzt, es wird mit den richtigen Informationen gespeist (vgl. Etzelmüller/Fuchs/Tewes 2017: 9).
Vorgeschlagen wird dagegen das Modell eines verkörperten (eingebetteten, ausgedehnten, hervorbringenden) Geistes, welches die strukturelle Kopplung zwischen biologischen Prozessen, personalen Erfahrungen und Aspekten der lebendigen wie unlebendigen Umwelt in die Konstitution des Mentalen und der daraus hervorgebrachten Erkenntnisse einschließt. Daraus resultiert eine Überwindung tradierter Gegensätze mit ausschlaggebender Bedeutung für ein (zukünftiges) Verständnis von Anthropologie, Wissenschaft und Bildung.
Anmerkungen
[1] „Die moderne Kognitionswissenschaft versteht sich als Wissenschaft vom Mentalen und vom Wissen. Sie nimmt für sich in Anspruch, alte philosophische Probleme mit neuen, teils naturwissenschaftlich-experimentellen, teils technischen Methoden (etwa aus der Künstlichen-Intelligenz-Forschung) zu lösen“ (Breyer 2015: 38).
[2] Descartes selbst hat das gar nicht so klar getrennt, wird aber heute so rezipiert: kartesianische Epistemologie als kennzeichnend für diese Trennung.
[3] „Kopplung ist ein Begriff aus der dynamischen Systemtheorie. Er bedeutet ungefähr Folgendes: Zwei Systeme sind dann kausal gekoppelt, wenn die Gleichungen, welche die Dynamik des einen Systems beschreiben, Variablen beinhalten, welche die Zustände des anderen quantitativ bestimmten und vice versa“ (Prinz 2017: 469).