Die These vom Eingebettetsein des Geistes besagt, dass Elemente in unserer Umgebung unsere kognitiven Prozesse unterstützen, ohne selber Teil dieser Prozesse zu sein (vgl. Fingerhut et al. 2017: 73). Das meint, dass Kognition – ähnlich wie bei Husserl, Heidegger und Merleau-Ponty – immer vor, oder besser in, einem (sozialen, kulturellen, räumlichen, medialen) Hintergrund stattfindet und sich damit nie auf eine Angelegenheit zwischen einem Subjekt und seinen mentalen Zuständen (cogitio ergo sum) beschränken kann.
Zentral für die Verfechter*innen der Einbettungsthese sind die Zeichen- und Symbolsysteme, „die für uns die Welt in einer bestimmten Weise ordnen und erschließbar machen“ (ebd.), also unsere „geschäftsführenden Medien“, wie man mit Dirk Baecker sagen könnte (Baecker 2007; vgl. Klein et al. 2020). Die Art und Weise, wie ein (denkender) Organismus und (unterstützende) Zeichen miteinander interagieren, wird dabei eher als ein diachrones als ein synchrones Verhältnis aufgefasst [1]: „Medien und Notationssysteme […] sind keine konstitutiven Bestandteile eines bestimmten Geistes, sondern strukturieren unser Denken und Handeln permanent mit, ohne ihm selbst anzugehören“ (Fingerhut et al. 2017: 74).
Die Idee vom eingebetteten Geist befasst sich also weniger damit, wie ,der Geist‘ konstituiert ist, wo er beginnt und endet, sondern vor allem mit dem seine Aktivitäten strukturierenden und organisierenden Hintergrund, seinem Medium. Mit der Konsequenz: Andere kulturelle, ökologische, ökonomische, soziale oder mediale Voraussetzungen bringen ein anderes, zumindest ein anders strukturiertes, symbolisiertes und damit auch anders kommuniziertes Denken hervor – ganz gleich wie dieses individuell verkörpert ist. [2] Dabei sind für die Vertreter*innen der These vom Eingebettetsein besonders auch (evolutions)biologische Gesichtspunkte von Bedeutung: Die „ökologische Nische“ ist ein zentrales Motiv, unter welchem sich die funktionalen Zusammenhänge zwischen einer biologischen Art und ihren lebensbedingenden Umgebungsfaktoren subsumieren lassen. Diese Bedingungen und Beziehungen sind nicht einfach naturalistisch gegeben, vielmehr verändern Organismen ihre Umwelt kurzzeitig oder dauerhaft und schaffen ihre Nische damit selbst.[3] Ähnlich wie beim Pragmatismus haben wir es also mit einem reziproken Umgestalten zwischen Erkennendem und Erkanntem, zwischen Organismus und Umwelt, zwischen Wahrnehmen, Denken und Handeln zu tun.
Eine andere Möglichkeit, den Geist als eingebettet zu betrachten – und hiermit sind wir v.a. wieder bei Merleau-Ponty – ist, die Welt als an sich bedeutsam zu begreifen. In diesem Zusammenhang bedeutend ist James J. Gibsons ökologisch orientierte Wahrnehmungstheorie, die besagt, dass die Information, wie wir als Lebewesen einer bestimmten Art mit einem gewissen Gegenstand in der Welt umgehen, d.h. welche Bedeutung er für uns trägt, in der Umwelt selbst vorhanden ist – auch wenn er sich nur für uns mit eben genau dieser Bedeutung anbietet (to afford). So trägt ein Baum etwa für ein Eichhörnchen und einen Biber unterschiedliche Informationen: Das Eichhörnchen denkt – so vermuten wir zumindest – „Klettern!“, der Biber „Fällen!“. Die Entscheidung über das Verhalten ist also art-, individuen- bzw. subjektgebunden. Und doch liegt die relevante Information – Gibson spricht von „affordances“ – in gewisser Weise objektiv in dem wahrgenommenen Gegenstand selbst, also in der Wahrnehmung und in der Welt, bereit. Sei es ein Eichhörnchen oder ein Biber, das Tier wird seine Handlungsoptionen direkt aus seiner Wahrnehmung beziehen und nicht etwa den Baum erst indifferent erkennen und über Interpretationen und Meinungen seine Bedeutung für sich erschließen. Gibsons Perspektive lässt sich also als eine Kritik am Repräsentationalismus und Funktionalismus der klassischen Kognitionswissenschaft lesen, welche zugleich die Dichotomie zwischen einem wahrnehmenden und bewertenden Subjekt und einer objektiv zu erfassenden Umwelt unterläuft, indem sie stattdessen das wechselseitige Bedingungs- und Bestimmungsgefüge von eingebetteten Subjekten und deren verhaltensrelevanten Umweltaspekten vor Augen führt (vgl. ebd.: 74 ff.).
Anmerkungen
[1] Dies wird noch wichtig, denn es unterscheidet den Ansatz von radikaleren Auffassungen.
[2] Die interessanten Anschlüsse zur Bedeutung des Internets und postdigitaler (Bild/Wissens)Produktions- sowie Rezeptionsweisen für unsere Denk- und Subjektivierungsprozesse können an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden, siehe hierzu u.a. Klein et al. 2020.
[3] Ein einfaches Beispiel für diese ,Nischenkonstruktion‘ sind Biber, die ihre Dämme bauen oder auch wir Menschen, die kollektiv nutzbare Zeichensysteme, Medien, kulturelle Artefakte und Institutionen entwerfen, die unsere Kommunikation und, seien es rationale und/oder ästhetische, spezifischen Arten des Denkens erst ermöglichen.