Vorwort

Der vorliegende Lehrplan ist über einen Zeitraum von vier Semestern an der Universität zu Köln unter Leitung von Julia Dick in Kooperationen mit Studierenden des Lernbereiches Ästhetische Erziehung und mit Hilfe von Beratungsgesprächen mit unterschiedlichen Expert*innen aus Hochschule, Schule und der freien Tanz- und Theaterszene entstanden. An der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln werden seit dem Jahre 2011 angehende Grundschul- und Sonderpädagog*innen im damals neu eingerichteten interdisziplinär-performativ orientierten Lernbereich Ästhetische Erziehung ausgebildet. Mittlerweile verzeichnet die Universität zu Köln circa 300 erfolgreiche Absolvent*innen, die in den Schulen NRWs arbeiten. Circa 720 junge Menschen sind derzeit im Lernbereich eingeschrieben und planen ihre berufliche Zukunft überwiegend in den Schulen NRWs. Die von der Landesregierung unterstützte Einrichtung des Lernbereiches Ästhetische Erziehung in Köln, einem der größten Standorte der universitären Lehrer*innenausbildung NRWs, legt prinzipiell nahe, dass das verantwortliche Ministerium in der Konsequenz auch die Fachstrukturen für den musisch-ästhetischen Bereich in Schule innoviert und Rahmenbedingungen für die Einrichtung eines interdisziplinär-performativen Lernbereiches, ergänzend zu den Fächern Kunst und Musik schafft.

Um das Ministerium in dessen angefangener Arbeit zu unterstützen, um Schulleiter*innen und Lehrer*innen zu inspirieren und gleichermaßen, um ein mögliches eigenes Selbstverständnis herauszuarbeiten, haben sich Studierende der Ästhetischen Erziehung gemeinsam mit Julia Dick an die Arbeit gemacht, möglichst konkret darüber nachzudenken, wie ein etwaiges performativ-interdisziplinäres Schulfach aufgebaut sowie gestaltet werden – und wie es sich zu anderen Fächern verhalten könnte. Beim Nachahmen einer Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Schule und Bildung und der Qualitäts- und Unterstützungsagentur des Landesinstituts für Schulen NRWs entstand so im Verlauf mehrerer Seminare der Lehrplan für ein neues Fach. Die Entscheidung, schließlich den Begriff „Performance“ für dieses Fach zu verwenden, steht für eine klare Ausrichtung auf den handelnden Körper in einer sich virtualisierenden Welt. Gleichzeitig ist der Begriff weit genug gefasst, als dass er Diskurse und Praktiken aus Tanz, Theater, Musik, (Performance-)Kunst und achtsamer Lebensführung mit zu umfassen vermag. In den gemeinsamen Diskussionen mit den Studierenden und Expert*innen wurde festgestellt, dass die Etablierung eines neuen Faches lediglich als eine Option neben anderen, strukturell tiefgreifenderen Innovierungsmöglichkeiten anzusehen ist, um interdisziplinäres projektorientiertes und inklusives Arbeiten zu fördern. Das Nachdenken über die Einrichtung eines Faches Performance versteht sich somit als wichtiger Schritt auf einem Weg kultureller Schulentwicklung hin zu einer zukünftigen Bildungsinstitution, welche auf der Basis eines dynamischen Verständnisses von Schule auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung angelegt ist. Der vorgelegte Lehrplan in dieser ersten Auflage ist somit eher als ein möglicher Anstoß- und Anfangspunkt zu verstehen. Er erhebt keinen Anspruch darauf, fehlerfrei und abgeschlossen zu sein, sondern möchte zu seiner Auseinandersetzung, Verbesserung und Weiterarbeit einladen und auffordern.

Es handelt sich bei dem Kernlehrplan Performance um einen in unterschiedlichen Gruppen entwickelten, diskutierten und gemeinschaftlich erarbeiteten Text. Denjenigen, die am Lehrplan mitgearbeitet haben, kommt eine kollektive Autor*innenschaft zu. Inspiration und Ausgangspunkt für den Lehrplan sind neben den eigenen Erfahrungen im Studium und einschlägiger Fachliteratur diverse bereits existierende Lehrpläne für Kunst, Musik, Darstellendes Spiel und Sport aus unterschiedlichen Jahrgangsstufen und Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland.

Diese erste Auflage des Lehrplanes stellt das Zwischenergebnis eines Lehr-Lernexperimentes dar, in welchem eine zukünftige Schule als veränderbar und formbar angesehen wird. Wichtiges Anliegen der Arbeit am Lehrplan ist es, jungen angehenden Lehrer*innen Mut zu machen, utopisch und relativierend zu denken, systemische Veränderungen in Schule als möglich und mitgestaltbar anzusehen sowie selbstbewusst neue Lerninhalte zur Diskussion zu stellen und einzufordern.

Solange die Politik und Interessensverbände NRWs die übergeordneten Strukturen nicht dahingehend verändern, performativ-interdisziplinäre Arbeitsweisen noch stärker zu unterstützen, bietet der vorgelegte Lehrplan zumindest auf individueller und schulischer Ebene eine Inspiration, eine Hilfestellung und eine Orientierung. Diese richtet sich insbesondere an all jene angehenden und praktizierenden Lehrer*innen und Schulleiter*innen, die Lust haben, eigenverantwortlich in Schule entlang der Auseinandersetzung mit gegenwärtig und zukünftig relevanten Themen an kooperativen Live-Aufführungen und leibhaftigen Begegnungen zwischen Individuen zu arbeiten.

Julia Dick

Lehrkraft für besondere Aufgaben
am Institut für Kunst und Kunsttheorie der Universität zu Köln