3. Didaktisch-methodische Herangehensweisen

Performative Lernformen
Das Performative ist als „ein Paradigma zu sehen, das eine neue Weise der Betrachtung bekannter Phänomene nahe legt“ (Otto 1998: 198), weswegen es eher Denkweisen praktiziert, als starres Wissen vermittelt. Fokus des performativen Lernens liegt zunächst auf den künstlerischen Findungs- und Erarbeitungsprozessen und erst anschließend auf den sich daraus entwickelnden Produkten.
Performative Lernformen zeichnen sich durch einen offenen, experimentellen, prozessorientierten und handlungsbezogenen Charakter mit vielfältigen Medien und zeitbasierten Methoden aus, wie z.B. Performancekunst, Musikkonzerte, Geräuscherzeugung, Theater, Video, Fotografie, Film, Tanz, Varité, digitale Medien und Phänomene alltäglicher Lebenswelten. Des Weiteren ist auch die Reflexion über die jeweils gewählten Medien und Methoden, ebenso wie über Prozesse und Produkte, ein wichtiger Bestandteil des performativen Lernens. Es beruht auf „Experimenten mit dem Körper und dem Raum, mit Materialien und Zeit, mit Orten auch außerhalb der Schule, also im Kontakt mit dem Alltag unter selbstverständlichem Einschluss von Social-Media-Formaten“ (Lange 2013: 13). Dem zugrunde muss eine komplexitätsorientierte, interdisziplinäre, fächerübergreifende, reflektierte und forschende Haltung liegen, welche die Lehrenden an die Lernenden weitergeben. Ziel performativen Lernens ist, dass sich durch das Erleben performativer Prozesse ästhetische Erfahrungen bei den Schüler*innen einstellen.

Prozess- und produktorientierte Projektmethode
In der Ästhetischen Bildung bietet es sich an, in übergreifenden Projekten an Inhalten und Themenschwerpunkten zu arbeiten. Die Schüler*innen können hierdurch ihre bisherigen Erfahrungen mit neuen Inhalten und Fragestellungen verbinden. Es geht um Reproduktion (Was kenne ich schon? Welche Erfahrungen bringen die Schüler*innen mit?) und um Erneuerungen (Was kann sich ändern? Was kommt hinzu? usw.). Für die aktive Auseinandersetzung in der performativen Bildung ist es von Bedeutung, den Blick zu schärfen für gemeinsame Interessen und nützliche Verbindungen z.B. in übergreifenden längerfristigen Projekten in Gruppen.
Prozessorientierung bedeutet, dass Schüler*innen Rahmen und Räume gegeben und eröffnet werden, um sich langfristig forschend und experimentell mit selbstgewählten Phänomenen auseinanderzusetzen. Die Arbeit an Projekten ermöglicht die kritische Auseinandersetzung und ggf. das Verständnis von Themen und Fragestellungen, die sich aus eigenen Erfahrungen ergeben. Prozessorientierte Lernformen gehen stets auch mit Erfahrungen des Scheiterns einher. Im Forschungsprozess haben Schüler*innen vielfältige Möglichkeiten, unterschiedliche Zugänge zu Lerninhalten auszuprobieren, um eine für sie individuell passende Bearbeitungs- und Ausdrucksmöglichkeit zu finden. Diese Suchbewegungen können mit Gefühlen der Frustration und Unlust einhergehen. Das Aushalten, Kommunizieren sowie das produktive Nutzen dieser Gefühle, stellen wichtige Entwicklungsanliegen für junge Menschen dar.
Die Projektmethode bietet einen offenen Spielraum und Freiheiten bei der Themenwahl für die Schüler*innen, wobei ggf. auch Themenschwerpunkte durch die Schule vorgegeben werden. Generell haben die Schüler*innen in der Projektarbeit die Möglichkeit, sich individuell mit ihren Kompetenzen einzubringen, jedoch auch voneinander zu lernen und an Kompetenzzuwachs zu gewinnen. In der interdisziplinär ausgerichteten Projektarbeit können Themen in einem größeren inhaltlichen und zeitlichen Rahmen bearbeitet und in einer produktorientierten Phase, die tendenziell nach einer prozessorientierten Phase eintritt, mittels Aufführungen vor anderen (z.B. Klassen, Schulen, Eltern, Öffentlichkeit) präsentiert werden. Im Fach Performance bieten sich Inszenierungen in Form von Tanz, Theater, Konzert, Performancekunst, Aktionskunst, Film-Vorführungen, Ausstellungen, Fest und Live-Event als präsentierbare Ergebnisse von der gemeinsamen Projektarbeit an.

Ästhetisch-performative Forschung
In der Ästhetischen Forschung geht es vor allem um Formen der Erkenntnis-, Reflexions-, und Produktionsprozesse. Unterschiedlichste Verfahren und Methoden aus verschiedenen, bisher voneinander abgegrenzten Themenbereichen, werden im Modus des forschenden Lernens miteinander vernetzt und parallel bearbeitet. Die Kombination der Forschungsfelder Alltagserfahrung (informelles Lernen), Kunst und ästhetische Praxis (= Künstler*innenstrategien) sowie Wissenschaft gelten als Grundlage der ästhetischen Forschung. Ideen und Fragen aus dem Lebensumfeld werden aufgenommen und zum Forschungsanlass gemacht, den es in Phasen des Recherchierens, Kommunizierens und Experimentierens zu untersuchen gilt.
Im Mittelpunkt solcher Untersuchungen im Rahmen einer Ästhetisch-performativen Forschung stehen Interaktionsprozesse, dramaturgische und szenische Sprach- und Handlungsvollzüge sowie die Bedeutung der eigenen Leiblichkeit im intersubjektiven Zusammenhang. Dabei können durch performative Transformationen von Fragestellungen und alltäglichen Phänomenen ästhetische Erkenntnisse entstehen. Dies geschieht, indem bei ungewöhnlichen und selbst gewählten Vorgehensweisen Assoziationen, Gefühle, Erinnerungen und die Handlungs- und Denkprozesse die jene im Körper auslösen mit einfließen gelassen werden.

Gruppenarbeit
Das Arbeiten in der Gruppe in Szenen, Musikstücken, Tanz und Performances lässt Schüler*innen lernen, gemeinsam entwickelte Regeln und Verabredungen einzuhalten und das eigene Tun als Teil eines Ganzen zu begreifen, für das er oder sie mit Verantwortung trägt. Darüber hinaus erfahren sich Schüler*innen als mitbestimmender und gestaltender Teil einer sozialen Gruppe. Sie lernen, ihre Ideen und Anliegen in einem pädagogisch gerahmten Setting zu artikulieren und in die Gruppenarbeit mit einfließen zu lassen. Aus einer oft altersbedingten Ich-Bezogenheit findet der*die Schüler*in einen Weg in die Teamfähigkeit, ohne sich und die eigenen Bedürfnisse aufzugeben.

Schüler*innenzentrierung
Die Schüler*innen sollen im Unterricht die Möglichkeit bekommen, eigene Gedanken und Ideen zur thematischen Gestaltung einzubringen. Durch Ergebnisoffenheit wird hierbei eine Orientierung des Unterrichtes an die Erfahrungswelt der Schüler*innen gewährleistet sowie auf Schüler*innenseite eine Handlungserweiterung und ggf. Persönlichkeitsentwicklung angestoßen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die*der Lernende ein für sich subjektiv hoch bedeutsames Thema auswählt, das sie*er ästhetisch-performativ bearbeiten möchte. Dies kann eine Identifikation und damit einhergehend eine intensive Wahrnehmung eines Themenschwerpunktes, einer Zugangsweise oder einer Methode durch die Schüler*innen ermöglichen. Durch die besondere Wahrnehmung, die durch die Identifikation mit einem Projekt angeregt wird, werden ästhetische Erfahrungen angestoßen. In dem Prozess der intensiven Wahrnehmung, des Kennenlernens und Austestens, kann sich das Erleben der aktuellen Lebenswelt der Schüler*innen verändern. Schüler*innen lernen so, für sich und ihren Arbeitsprozess selbst Verantwortung zu tragen. Der Arbeitsprozess wird ergebnisoffen gestaltet, sodass Schüler*innen die Möglichkeit erhalten, sich in vielfältiger Weise auszuprobieren und auszudrücken.

Rolle der Lehrkraft als Begleiter*in künstlerisch-kreativer Prozesse
Die Lehrperson im Fach Performance fungiert als Begleiter*in und „Anstoßgeber*in”.  Mit ihrem theoretischen und praktischen Fachwissen und Methoden- und Materialienrepertoire ist die Lehrperson befähigt, den Schüler*innen Möglichkeiten und Variationen anzubieten, vorzumachen und diese mitzuentwickeln. Die künstlerisch-kreativen Prozesse sollten dennoch von den Lernenden ausgehen und von ihnen maßgeblich gestaltet werden, da nur so die eingangs beschriebene Selbstwirksamkeit durch die Schüler*innen erfahren werden kann. Die Aufgabe der Lehrkraft ist, sich selbst nicht als alleinige Instanz, die über Dichotomien wie richtig und falsch, gut und schlecht entscheidet, anzusehen, und stattdessen auch alternative und die Schüler*innen einbindende Methoden der Leistungsbewertung auszuprobieren. Die Wahrnehmungsbildung kann bei Lernenden erst dann gewinnbringend werden, wenn Prozesse von ihnen ausgehend entwickelt und gestaltet werden. Hier sollte die Lehrperson also als Begleiter*in, Ratgeber*in und „Ermöglicher*in“ fungieren, um entwickelte Ideen umzusetzen.

Grenzüberschreitungen zum Erweitern der Perspektive
Es werden gezielt Unterrichtsinhalte und –methoden, die nicht in der gewohnten Ordnung und in den gewohnten Schemata der Schüler*innen liegen, gewählt. Durch eine solche Auseinandersetzung mit dem Unbekannten und dem Fremden erfahren Schüler*innen Grenzüberschreitungen, wodurch unvermutete Lösungen und andere Blickwinkel auf bereits Bekanntes entstehen können. Irritation, Überraschung und Erstaunen sind hierbei wesentliche Bestandteile von ästhetischem Erleben und somit von Ästhetischer Bildung. Grenzen zwischen Eigenem, Neuem, Anderem und Fremdem können sich hierdurch verschieben.  „Nur wenn ich in den Künsten Erfahrungen von Differenzen des Wissens und Könnens, Krisenerfahrungen […], Irritationserfahrungen und Widerstandserfahrungen, Erfahrungen der Fremdheit des Anderen aber auch der Selbstfremdheit, mache, können sich auch Transformationen meiner ästhetischen Selbst- und Weltbezüge, mithin ästhetische Bildungsprozesse ereignen” (Zirfas 2011: 20).
Performativ-interdisziplinäre Bildung knüpft radikal an die subjektive Perspektive des Individuums, dessen körperlichen und emotionalen Empfindungen einerseits und dessen Selbstreflexionen andererseits an. Sie bleibt bei diesen individuellen Aspekten jedoch nicht stehen, sondern arbeitet zugleich Differenzen in Auseinandersetzung mit einer gemeinsam arbeitenden und sich austauschenden Gruppe heraus, lässt diese Differenzen bestehen, stärkt sie und fordert eine entsprechend notwendige (An)erkennung des Anderen oder Fremden durch die Schüler*innen. Diese Auseinandersetzung eröffnet Schüler*innen eine weite, polyperspektiveische Erkundung der Welt.

Kooperationen mit Gästen und außerschulischen Kulturinstitutionen
Das Fach Performance bedarf langfristige Kooperationen mit Künstler*innen sowie Kunst- und Kultureinrichtungen. Schüler*innen lernen auf diese Weise von den künstlerischen Strategien professionell tätiger Akteur*innen und erhalten außerdem Einblicke in die unterschiedlichen Berufszweige von Kunst- und Kulturschaffenden. Darüber hinaus können Schüler*innen durch regelmäßige Besuche unterschiedlicher Kunst- und Kulturinstitutionen einen Zugang zu diesen erhalten. Dadurch ergeben sich vielfältige kulturelle Teilhabemöglichkeiten. Insbesondere durch langfristige Kooperationen, die über vereinzelte Projekte hinausgehen, können unterschiedliche Institutionen in ihren bildenden Potenzialen wahrgenommen und als Lernorte genutzt werden. Durch die enge Kooperation mit außerschulischen Einrichtungen, wie beispielsweise Theater- und Tanzhäusern, werden vielfältige Synergien fruchtbar gemacht. Schüler*innen arbeiten idealer Weise mit Kunst- und Kulturschaffenden an gemeinsamen Projekten und lernen deren prozessorientierte Arbeitsweisen kennen. Sie lernen so unterschiedliche Ansätze ästhetischer Praxis kennen, können sich in der Projektarbeit ausprobieren und werden dabei durch Künstler*innen unterstützt. Gerade in auf Langfristigkeit angelegte Kooperationen mit Einrichtungen in Schulnähe eröffnen sich vertiefte Möglichkeiten der Zusammenarbeit sowie auch die Lehre auf Dauer erleichternde Routinen.

Orientierung an Geschichte und Gegenwart der Performativen Künste
Das Fach Performance orientiert sich zur Vertiefung der eigenen Disziplin an aktuellen Diskursen zur Geschichte und Gegenwart der Performativen Künste. Diese umfassen ein breites Feld von Tanz, Tanztheater, Konzertmusik, Musiktheater, Theater, Aktions- und Performancekunst sowie in Ansätzen Film- und Medienkunst. Aus der Historizität des Faches können vielfältige Anknüpfungspunkte für ein zeitgenössisches und postdramatisches Verständnis Performativer Künste gewonnen werden. Darüber hinaus lernen Schüler*innen, zentrale geschichtliche Ereignisse vor dem Hintergrund des Faches Performance zu reflektieren. Künstlerische Arbeiten, Positionen und Strömungen können somit in einen historischen Kontext gesetzt und verarbeitet werden. Dies gilt ebenfalls für gegenwärtige künstlerische Arbeiten und Positionen, die im Rahmen des geschichtlichen Kanons reflektiert werden können.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit diversen Fächern und Inhalten
Neben der eigenen thematischen Vertiefung auf Performance lenkt das Fach auch auf andere Disziplinen. Das Fach Performance bietet nicht nur zu Kunst und Musik, sondern auch zu den anderen Fächern wie Natur- und Gesellschaftswissenschaften sowie Sprachen Anknüpfungspunkte. Die Inhalte anderer Fächer können über den Zugangsweg des Performativen vermittelt, vertieft und erweitert werden, so dass ein alternatives und nachhaltiges Lernen stattfinden kann. Besonders für Schüler*innen, die in den üblichen Zugangswegen bestimmter Fächer überfordert sind, wodurch ihnen ein Lernen dort schwer fällt, können performative Näherungen greifen und zum Lernerfolg beitragen.

Interdisziplinäres Co-Teaching
Für die sich überschneidenden Inhalte des Faches Performance mit anderen Fächern bietet sich ein Co-Teaching der jeweiligen Fachlehrer*innen an. So können beidseitiges Expert*innenwissen eingebracht und didaktisch-methodische Herangehensweisen verknüpft werden. Auf diese Weise können das Wissen und der Erfahrungsschatz der Schüler*innen ausdifferenziert und weiterführende Wahrnehmungsmöglichkeiten angeregt werden. Um unterschiedlichen Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, individuelle Interessen vertiefen zu können, ist es wichtig, mit unterschiedlichen Fachpersonen Forschungs- und Gesprächsräume, Angebote und Unterrichtsinhalte so zu gestalten, dass jede*r Schüler*in seine*r Experimentierfreude und Entdeckerlust nachkommen kann.