Panel III: Narratives Selbst & Narrating the Normal


Bild: Martin, Rudolf (1928): Lehrbuch der Anthropologie in systematischer Darstellung. Jena.

Jona Garz (Universität Zürich) & Lilli Riettiens (Universität Mainz)

Die Unerhörten.
Zur historischen Anthropometrie als formatierte (Nicht-)Erzählung

In [historischen] anthropometrischen Verfahren verdichtet sich die Idee vermeintlicher Vermessbarkeit von Welt und Mensch. In Formaten wie Tabellen, Karteikarten und Listen wurden im kolonialen Kontext die kolonisierten ›Anderen‹ umfassend vermessen und verglichen. Die aus diesen Zahlenreihen abgeleiteten Erzählungen über ihre vermeintliche Unzivilisiertheit wurden gleichsam zum machtvollen Bestandteil einer Legitimationsgrundlage ihrer Kolonisierung.  Ausgehend von exemplarischen Betrachtungen jener Vermessungen und vor dem Hintergrund postkolonialer Theorie widmet sich der Vortrag der Erzeugung, Zirkulation und Manifestation von Wissen über ›die Anderen‹ und der Frage: Wer erzählt hier eigentlich welche Geschichte/n über wen?

Jona T. Garz studierte evangelische Theologie in Marburg und Berlin und wurde dort mit einer historischen Arbeit zur Diagnose des «kindlichen Schwachsinns» im 19. Jahrhundert promoviert. Seit 2020 forscht und lehrt er zur Geschichte und Gegenwart von (A)Normalität, Inklusion und Diversität an der Universität Zürich. Sein besonderes Interesse gilt neben Methodologien der Wissensgeschichte den kleinen Formen und Formaten in Erziehung und Bildung.

Lilli Riettiens ist Juniorprofessorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt auf Theorien der Bildung und Erziehung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Vor dem Hintergrund queer/feministischer und postkolonialer Theorien interessieren sie Subjekt/Bildungsprozesse und deren historische Gewordenheiten, die Erzeugung von Wissen und dessen Geltungsreichweiten sowie Fragen von A/Normalisierung, Vermessung und Klein/Formatierung.

Stefanie Henke (Universität zu Köln)

DIY in der Kultur der Digitalität: Selbermachen und Selbstnarrationen als Dimensionen der Subjekt- und Selbstbildung

Der Vortrag fragt, warum Menschen sich für Selbermachen und diesbezügliche Social-Media-Praktiken begeistern und diskutiert die darin liegenden Selbstbildungspotenziale als Begründungszusammenhang. Dazu wird am Beispiel des Nähbloggens nachvollzogen, wie sich vor den Bedingungen einer Kultur der Digitalität im Selbermachbloggen Selbstnarrationen mit leibkörperlichem Herstellen verschränken und darin Selbstreflexions- und -erfahrungsdimensionen in besonderer Weise erschlossen werden können.

Stefanie Henke, Diplom-Pädagogin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Medienpädagogik und Mediendidaktik der Universität zu Köln. Sie promoviert an der Universität zu Köln mit einer Arbeit zu Subjektivierungs- und Selbstbildungsprozessen von DIY-Bloggerinnen. Darüber hinaus lehrt sie zu den Themenspektren Qualitative Sozialforschung und Medienpädagogik. In vergangen Jahren forschte sie insbesondere zu Fragen sozialer und digitaler Teilhabe.

„G20 Summit in Hamburg“ by HamburgerJung. Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

Christian Noll

Authentisches Erzählen mit bewegten Bildern in mediatisierten Lebenswelten Jugendlicher

Der Vortrag beschäftigt sich mit verschiedenen Verständnissen von Authentizität sowie mit der Frage, warum Authentizitätszuschreibungen in Bezug auf Bewegtbilder eine große Rolle für viele Menschen zu spielen scheinen. Spannend ist dies beispielsweise angesichts der leichten Veränderbarkeit medialer Inhalte, rasanter Entwicklungen im Bereich KI-generierter Bewegtbilder sowie der im Grunde prinzipiellen Inszeniertheit bewegter Bilder. Fokussiert werden dabei Bewegtbilder auf Social-Media-Plattformen und der mediatisierte Alltag Jugendlicher – etwa mit Blick auf Identitätsbildungsprozesse sowie gesellschaftspolitische Informationsvermittlung.

Christian Noll forscht, lehrt und promoviert in der Medienpädagogik und Mediendidaktik. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte: Filmbildung und Bewegtbild im digitalen Zeitalter, tiefgreifende Mediatisierung im Alltag von Kindern und Jugendlichen, Authentizitätszuschreibungen in mediatisierten Kontexten, Plattformbedingungen, Einzel- und Gruppeninterviews im Bereich qualitativer Sozialforschung.